25th Annual Sonoma County Hot Air Balloon Classic: Sean Freese, https://goo.gl/ET1nEi, licensed under CC BY 2.0
Sonoma County Hot Air Balloon Classic, Kalifornien, USA

Einheit 15 Inflation, Arbeitslosigkeit und Geldpolitik

Wie sich die Arbeitslosenquote und der gesamtwirtschaftliche Output auf die Inflation auswirken, welche Herausforderungen sich daraus für politische Entscheidungsträger:innen ergeben und wie dieses Wissen wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung von Beschäftigung und Einkommen sichern kann

  • Wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist, steigt die Inflation tendenziell an. Wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, sinkt die Inflation.
  • Politische Entscheidungsträger:innen sowie Wahlberechtigte bevorzugen eine niedrige Arbeitslosigkeit und eine niedrige Inflation (nicht aber ein sinkendes Preisniveau).
  • Sie können in der Regel nicht beides haben und müssen daher einen Kompromiss eingehen.
  • Es gibt eine inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote, und wenn die Arbeitslosigkeit niedriger als die inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote gehalten wird, entwickelt sich eine Lohn-Preis-Spirale.
  • Die Geldpolitik beeinflusst die aggregierte Nachfrage und die Inflation über eine Vielzahl von Kanälen.
  • Schocks, wie etwa ein Ölpreisanstieg, können zu höherer Arbeitslosigkeit und höherer Inflation führen.
  • Viele Regierungen haben den Zentralbanken die Verantwortung für die Geldpolitik—oft als Inflationstargeting bezeichnet—übertragen.

Vor seinem erfolgreichen US-Präsidentschaftswahlkampf 1992 hatte das Strategieteam von Bill Clinton beschlossen, dass zwei ihrer Wahlkampfthemen die Gesundheitspolitik und „Change“ sein sollten. Aber es war der dritte Schwerpunkt seiner Kampagne—die Rezession von 1991—die bei der Öffentlichkeit Anklang fand. Der Grund dafür war der Satz, den die Mitarbeitenden der Kampagne verwendeten: „Die Wirtschaft, Dummkopf!“

Die Rezession von 1991 hatte zur Folge, dass viele Menschen in den USA ihren Arbeitsplatz verloren, und der Slogan der Clinton-Kampagne wies die Wahlberechtigten auf dieses Problem hin. Bei der Auszählung der Stimmzettel im November 1992 erhielt Clinton fast sechs Millionen Stimmen mehr als der amtierende Präsident, George H. W. Bush.

In einer Demokratie wird der Wahlausgang immer auch von der Lage der Wirtschaft beeinflusst und davon, wie die Öffentlichkeit die wirtschaftliche Kompetenz der Regierung und der Opposition einschätzt. Zwei wichtige Indikatoren für die Lage der Wirtschaft sind Arbeitslosigkeit und Inflation. In Einheit 13 haben wir gesehen, dass Arbeitslosigkeit das Wohlergehen mindert, aber auch die Inflation macht uns Sorgen. Abbildung 15.1 zeigt, dass bei den US-Präsidentschaftswahlen der Vorsprung der regierenden Partei größer ist, wenn die Inflation niedriger ist.

Inflation und Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in den USA (1912–2020).
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Abbildung 15.1 Inflation und Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in den USA (1912–2020).

Anmerkung: In der Grafik wurden zwei Jahre, in denen eine Deflation auftrat, weggelassen. Wenn die beiden Beobachtungen, in denen eine Deflation (sinkende Preise) auftrat, in absoluten Werten in die Regression einbezogen werden—was die Tatsache widerspiegelt, dass Preisänderungen unpopulär sind—dann ist die in der Abbildung gezeigte Beziehung stärker. Das R-Quadrat beträgt 0,43 im Vergleich zu 0,30, und der Koeffizient für die Inflation ist immer noch negativ und signifikant. Inflation vor 1950: Michael Bordo, Barry Eichengreen, Daniela Klingebiel, und Maria Soledad Martinez-Peria. 2001. ‘Is the crisis problem growing more severe?’. Economic Policy 16 (32) (April): pp. 52–82; VPI nach 1950: Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED; Wahlergebnisse: US-Nationalarchiv. 2021. ‘1789–2021 Presidential Elections’. US Electoral College.

Wenn Sie also Politiker:innen sind und sich sowohl um die Belange Ihrer Staatsangehörigen als auch um Ihre eigene Karriere sorgen, sollten Sie sowohl die Arbeitslosigkeit als auch die Inflation minimieren. Ist das möglich?

Dazu erhalten wir einen Hinweis, wenn wir uns ansehen, wie ein deutscher Finanzminister, der als Ökonom ausgebildet war, seine Doppelrolle als Politiker (bei einer abendlichen Wahlkampfveranstaltung) und als Ökonom (in seinem Büro am nächsten Tag) bewältigte.

Helmut Schmidt wurde in der westdeutschen Regierung von Bundeskanzler Willy Brandt als „Superminister“ bezeichnet, weil er sowohl Wirtschafts- als auch Finanzminister war.

Auf einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 1972 behauptete er, dass: „Fünf Prozent Inflation leichter zu ertragen seien als fünf Prozent Arbeitslosigkeit“. Er versprach, dass seine Partei der Senkung der Arbeitslosigkeit Priorität einräumen und gleichzeitig die Inflation niedrig und stabil halten würde.

Helmut Schmidt (1918–2015) war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 1972 lag die Inflation in Westdeutschland bei 5,5 % (gegenüber 5,2 % im Vorjahr) und die Arbeitslosigkeit bei 0,7 % (gegenüber 0,5 % im Vorjahr). Im Jahr 1975 lag die Inflation bei 5,9 % und die Arbeitslosigkeit bei 3,1 %.

Am nächsten Tag sagte Professor Otto Schlecht, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im Bundeswirtschaftsministerium, zu Schmidt: „Herr Minister, was Sie gestern gesagt haben und was heute Morgen in den Zeitungen steht, ist falsch.“

Schmidt antwortete: „Ich gebe zu, dass das, was ich gesagt habe, fachlich falsch war. Aber Sie können mir nicht vorschreiben, was ich auf einer Wahlkampfkundgebung vor 10 000 Bergleuten in der Dortmunder Westfalenhalle zu sagen habe.“

Helmut Schmidts Engagement auf der Kundgebung und seine anschließende Erklärung zeigen zwei Dinge über das Verhältnis von Wirtschaft und Politik. Erstens: Politiker:innen werden in ihr Amt gewählt und reagieren auf die Meinung der Wahlberechtigten. Zweitens: Politiker:innen sind als politische Entscheidungsträger:innen bei der Wahl ihrer Politiken Einschränkungen unterworfen. Sie können nicht einfach die wirtschaftlichen Ergebnisse versprechen, die den Wahlberechtigten wichtig sind—in Schmidts Fall: niedrige Arbeitslosigkeit und eine niedrige und stabile Inflation. Der Ökonom in Schmidt war sich dieses Sachverhalts durchaus bewusst, aber auf der Kundgebung sprach er als Politiker.

Opportunitätskosten
Wenn die Durchführung einer Handlung den Verzicht auf die nächstbeste Handlungsalternative bedeutet, ist dies der Nettonutzen der aufgegebenen Alternative.
Inflationstargeting
Geldpolitik, bei der die Zentralbank die Zinssätze ändert, um die aggregierte Nachfrage zu beeinflussen und die Wirtschaft in der Nähe eines Inflationsziels zu halten, das normalerweise von der Regierung vorgegeben wird.

Während die politischen Entscheidungsträger:innen sowohl eine niedrige Arbeitslosigkeit als auch eine niedrige Inflation anstreben, funktioniert die Wirtschaft so, dass bei sinkender Arbeitslosigkeit die Inflation tendenziell steigt. Und wenn die Inflation sinkt, steigt die Arbeitslosigkeit tendenziell an. Das ist ein Problem, das wir schon einmal gesehen haben: Die politischen Entscheidungsträger:innen können nur das Machbare realisieren, und das bedeutet, ein Ziel gegen ein anderes abzuwägen. Anders ausgedrückt: Mehr Inflation sind die Opportunitätskosten einer höheren Arbeitslosigkeit, und weniger Inflation sind die Opportunitätskosten einer niedrigeren Arbeitslosigkeit. Außerdem ist die Wirtschaft Schocks ausgesetzt, die sowohl die Inflation als auch die Arbeitslosigkeit verschlimmern können, was die realisierbare Menge an Ergebnissen einschränkt. Und die Erfahrungen aus den späten 1960er Jahren zeigten, dass die Inflation weiter ansteigen würde, wenn die Arbeitslosigkeit zu niedrig ist. Dies war der Hintergrund für Helmut Schmidts Überlegungen zu seinem Wahlversprechen.

Nach den Erfahrungen mit der weltweit steigenden Inflation kam es Ende der 1980er Jahre zu einem Umdenken bei der Gestaltung der makroökonomischen Politik. In den 1990er Jahren wurde die als Inflationstargeting bekannte Politik von den Zentralbanken weitgehend übernommen. Viele Regierungen übertrugen der Zentralbank die Steuerung von Konjunkturschwankungen, wobei die Fiskalpolitik eine geringere Rolle spielte. Sie erkannten, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Angebotsseite ihrer Wirtschaft—wie die Stärkung des Wettbewerbs und besser funktionierende Märkte—notwendig waren, wenn sie eine niedrigere Arbeitslosenquote erreichen wollten, die mit einer niedrigen und stabilen Inflation vereinbar ist.

Wie wir in Einheit 11 gesehen haben, sind Preise Botschaften. Sie senden Signale über knappe Ressourcen. Wir haben uns angesehen, wie Nachfrage- oder Angebotsverschiebungen bei einem Gut zu einer Veränderung seines Preises im Vergleich zu anderen Gütern und Dienstleistungen führen und wie dies eine Veränderung der relativen Knappheit des Gutes oder der Dienstleistung signalisiert. In dieser Einheit befassen wir uns nicht mit relativen Preisen, sondern mit Inflation oder Deflation, das heißt mit einem allgemeinen Preisanstieg oder -rückgang. Wir beginnen mit der Frage, warum die Inflation einen schlechten Ruf hat.

15.1 Was ist so schlimm an der Inflation?

Bevor wir uns der Frage zuwenden, müssen wir ein paar Begriffe klären.

Inflation
Ein Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in einer Volkswirtschaft. In der Regel über ein Jahr gemessen. Siehe auch: Deflation, Disinflation.
Deflation
Ein Rückgang des allgemeinen Preisniveaus. Siehe auch: Inflation.
Disinflation
Ein Rückgang der Inflationsrate. Siehe auch: Inflation, Deflation.

Was ist der Unterschied zwischen Inflation, Deflation und Disinflation?

Eine Analogie zum Auto ist ein nützlicher Weg, um diese Unterschiede zu verstehen. Wir können die Entwicklung des Preisniveaus in der Wirtschaft mit der Ausgangsposition und Geschwindigkeit eines Autos vergleichen:

  • Null-Inflation: Ein von Jahr zu Jahr konstantes Preisniveau bedeutet, dass die Inflation gleich Null ist. Dies ist wie bei einem stehenden Auto: Der Standort des Autos ist konstant und seine Geschwindigkeit ist gleich Null.
  • Inflation: Betrachten wir nun eine Inflationsrate von beispielsweise 2 % pro Jahr. Das bedeutet, dass das Preisniveau jedes Jahr um 2 % ansteigt. Dies ist der Fall eines Autos, das mit einer konstanten Geschwindigkeit fährt, zum Beispiel 20 km/h.
  • Deflation: Deflation bedeutet, dass das Preisniveau sinkt. Das Auto würde rückwärts fahren.
  • Steigende Inflation: Wenn die Inflationsrate steigt, erhört sich die Steigerung des Preisniveaus. Nehmen wir an, die Inflationsrate steigt in aufeinander folgenden Jahren von 2 % über 4 % auf 6 %, sodass die Wirtschaft eine steigende Inflation erlebt. Dies ist der Fall eines Autos, das beschleunigt: Es fährt eine Zeit lang mit 20 km/h, dann mit 25 km/h und so weiter.
  • Rückläufige Inflation: Dies wird als Disinflation bezeichnet und entspricht der Verringerung der Geschwindigkeit eines Autos, zum Beispiel von 20 km/h auf 15 km/h und dann auf 10 km/h. Sobald die Geschwindigkeit Null erreicht, ändert sich der Standort des Autos nicht mehr. Das Äquivalent in der Wirtschaft ist, dass sich das Preisniveau nicht ändert, wenn die Inflation auf Null sinkt.

Eine Veränderung des Preisniveaus beschreiben

  • Inflation: Das Preisniveau steigt
  • Deflation: Das Preisniveau sinkt
  • Disinflation: Die Inflationsrate ist rückläufig

Wir haben gesehen, warum die Wahlberechtigten die Arbeitslosigkeit nicht mögen. Aber warum mögen sie die Inflation nicht? Für einige Personen in der Wirtschaft, wie zum Beispiel Rentenbeziehende, ist das Einkommen nominal festgelegt. Das heißt sie erhalten eine feste Anzahl von Yuan oder Dollar oder Euro. Wenn die Preise im Laufe des Jahres steigen, können diese Haushalte am Ende des Jahres weniger Waren und Dienstleistungen kaufen als zu Beginn des Jahres. Sie sind schlechter gestellt und werden eher gegen eine Partei stimmen, von der sie glauben, dass sie eine höhere Inflation zulassen wird.

Ob man von der Inflation profitiert oder verliert, hängt auch davon ab, auf welcher Seite des Marktes man sich befindet. Julia, die Darlehensnehmerin, und Marco, der Darlehensgeber (in Einheit 10), haben einen Konflikt über den Zinssatz, zu dem Julia das Darlehen aufnimmt. Sie haben auch unterschiedliche Interessen in Bezug auf die Inflation, denn wenn die Preise steigen, bevor Julia ihren Kredit zurückzahlt, wird Marco feststellen, dass er mit der Rückzahlung weniger kaufen kann, als dies bei einer Inflation von Null der Fall gewesen wäre.

Nominalzinssatz
Der nicht um die Inflation bereinigte Zinssatz. Es handelt sich um den Zinssatz, der von den Banken angeboten wird. Siehe auch: Realzinssatz, Zinssatz.

Allgemeiner ausgedrückt bedeutet Inflation nach der gleichen Logik, die wir bei der Erörterung der Staatsverschuldung in der vorherigen Einheit verwendet haben, dass:

  • Darlehensnehmende mit nominalen Schulden profitieren: Wer beispielsweise Hypotheken mit festem Nominalzinssatz hat, profitiert von der Inflation, weil die Schulden nominal gleich bleiben und real kleiner werden.
  • Darlehensgebende mit nominalen Vermögenswerten verlieren: Banken oder andere, die Geld zu festen Nominalzinssätzen verliehen haben, verlieren, weil das Geld bei der Rückzahlung weniger wert ist, bezogen auf die Waren oder Dienstleistungen, die damit gekauft werden können. Eine sehr hohe Inflation wird den Wert von nominalen Vermögenswerten zunichte machen, wie es in Simbabwe 2008–2009 der Fall war.1
Realzinssatz
Der um die Inflation bereinigte Zinssatz (das heißt der Nominalzinssatz abzüglich der Inflationsrate). Er gibt an, wie viele Güter man in der Zukunft, für die jetzt nicht konsumierten Güter erhält. Siehe auch: Nominalzinssatz, Zinssatz.
Fisher-Gleichung
Die Beziehung, die den Realzinssatz als Differenz zwischen dem Nominalzinssatz und der erwarteten Inflation angibt: Realzinssatz = Nominalzinssatz - erwartete Inflation.
relativer Preis
Der Preis einer Ware oder Dienstleistung im Vergleich zu dem Preis einer anderen Ware oder Dienstleistung (normalerweise als Verhältnis ausgedrückt).
Preisanpassungskosten
Die Ressourcen, die bei der Festsetzung und Änderung von Preisen eingesetzt werden.

Um die Inflation bei der Analyse der Darlehensaufnahme und -vergabe zu berücksichtigen, verwenden wir den so genannten Realzinssatz, der wie folgt definiert ist (die Gleichung ist auch als Fisher-Gleichung bekannt):

\[\begin{align*} \text{Realzinssatz (% p.a.)} &= \text{Nominalzinssatz (% p.a.)} \\ &- \text{Inflationsrate (% p.a.)} \end{align*}\]

Der Realzinssatz misst die Kaufkraft der Rückzahlung eines Darlehens zu den Preisen, die bei der Rückzahlung des Darlehens gelten. Um zu sehen, was das bedeutet, nehmen wir an, Julia leiht sich von Marco 50 USD, die sie im nächsten Jahr mit 55 USD zurückzahlen muss. Der Nominalzinssatz beträgt 10 %. Wenn aber die Preise im nächsten Jahr um 6 % höher sind als in diesem Jahr (6 % Inflation), dann kann Marco mit der Rückzahlung nicht 10 % mehr kaufen als mit der Summe, die er Julia geliehen hat, sondern nur 4 %. Der Realzinssatz beträgt 4 %.

Neben der Umverteilung von Einkommen von Kreditgebenden (mit Vermögenswerten) und denen die nominal feste Einkommen empfangen (wie Rentenbeziehende) zu Schuldner:innen, kann Inflation in einigen Fällen auch dazu führen, dass die Wirtschaft weniger gut funktioniert. Zwar gibt es keine Beweise dafür, dass eine moderate Inflation schlecht für die Wirtschaft ist, doch ist eine hohe Inflation oft auch unbeständig und daher schwer vorhersehbar. Große Preisänderungen schaffen Unsicherheit und erschweren es Einzelpersonen und Unternehmen, Entscheidungen auf der Grundlage von Preisen zu treffen.

In einem Umfeld hoher und unbeständiger Inflation ist es schwer, das Signal der Knappheit von Ressourcen (das von relativen Preisen ausgeht) von dem Rauschen sprunghaft steigender Preise zu trennen. Für Unternehmen könnte es schwieriger sein, zu entscheiden, in welchen Sektor sie investieren oder welche Pflanzen sie anbauen sollten (zum Beispiel Quinoa oder Gerste); für die Einzelpersonen ist es schwieriger zu entscheiden, ob Quinoa im Vergleich zu anderen Proteinquellen teurer geworden ist. Außerdem müssen die Unternehmen in einem inflationären Umfeld ihre Preise häufiger aktualisieren. Dies erfordert Zeit und Ressourcen, die als Preisanpassungskosten bezeichnet werden.

Wären Haushalte und Unternehmen bei sinkenden Preisen besser dran? Nein. Ein anhaltender Rückgang des Preisniveaus ist aus ähnlichen Gründen unerwünscht. Sinkende Preise könnten sogar noch dramatischere wirtschaftliche Folgen haben. Wenn die Preise sinken, verschieben die Haushalte den Konsum (insbesondere von teuren Gegenständen wie Kühlschränken, Fernsehern und Autos), weil sie erwarten, dass die Waren in Zukunft noch günstiger sein werden. In ähnlicher Weise erhöht eine Deflation die Schuldenlast der Darlehensnehmenden aus demselben Grund, aus dem die Inflation sie verringert.

Wie wir in Einheit 14 gesehen haben, führt ein Anstieg der Schuldenlast zu einem Rückgang des Konsums, weil einige der betroffenen Haushalte sparen, um ihr Zielvermögen wiederherzustellen, während sich andere einer Kreditbeschränkung ausgesetzt sehen. Der Rückgang des Konsums wird zu einem Rückgang der aggregierten Nachfrage und der Wirtschaftstätigkeit führen. Geringere Gesamtausgaben drücken tendenziell die Preise weiter und können einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen und wirtschaftlicher Stagnation auslösen.

Dies geschah in Japan. Die japanische Wirtschaft war eine der großen Erfolgsgeschichten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie Sie in Einheit 1 gesehen haben, war der Aufwärtstrend des Hockeyschlägers bemerkenswert steil. Der Lebensstandard, gemessen am Pro-Kopf-BIP, stieg von weniger als einem Fünftel des Niveaus in den USA im Jahr 1950 auf mehr als 70 % im Jahr 1980. Doch in den letzten 25 Jahren hatte Japan mit geringem Wachstum und steigender Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Zum ersten Mal in der Nachkriegszeit gab es in einer fortgeschrittenen Wirtschaft eine anhaltende Deflation: Zwischen 1995 und 2015 wurde in 12 von 21 Jahren eine Deflation beobachtet.

Viele Ökonominnen und Ökonomen sind der Meinung, dass ein bisschen Inflation gut ist, solange sie stabil bleibt. In der nächsten Einheit werden wir sehen, warum das so ist. Der Prozess der Innovation und des Wandels, der eine dynamische Wirtschaft kennzeichnet, bedeutet, dass in einem bestimmten Jahr Arbeitskräfte in einigen Unternehmen und Sektoren stärker nachgefragt werden als in anderen. Bei leichter Inflation kann ein Rückgang der Realeinkommen dadurch verdeckt werden, dass die Nominaleinkommen steigen oder zumindest nicht sinken. So werden viele Menschen einen leichten Rückgang ihres Reallohns aufgrund einer moderaten Inflation nicht bemerken. Aber niemand wird einen Rückgang seines Nominallohns übersehen. Bei niedriger Inflation können Arbeitskräfte und Ressourcen zwischen verschiedenen Unternehmen und Branchen als Reaktion auf Veränderungen der relativen Löhne umverteilt werden, ohne dass die Betroffenen einen Rückgang der Nominallöhne spüren. Inflation ist dadurch wie Öl im Getriebe des Arbeitsmarkts.

Ein weiterer wichtiger Grund, eine gewisse Inflation der Nicht-Inflation vorzuziehen, besteht darin, dass sie der Geldpolitik einen größeren Handlungsspielraum gibt. Wie wir später sehen werden, kann bei einer positiven Inflation der Realzinssatz niedriger sein, um eine größere Rezession auszugleichen, als wenn die Inflation gleich Null ist.

Frage 15.1 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Die folgende Tabelle zeigt die jährliche Inflationsrate (den BIP-Deflator) von Japan, dem Vereinigtes Königreich, China und Nauru im Zeitraum 2010–2013 (Quelle: Weltbank):

  2010 2011 2012 2013
Japan −1,9 % −1,7 % −0,8 % −0,3 %
GB 1,6 % 2,0 % 1,6 % 1,9 %
China 6,9 % 8,2 % 2,4 % 2,2 %
Nauru −18,2 % 18,1 % 24,1 % −21,7 %

Welche der folgenden Aussagen ist auf der Grundlage dieser Informationen richtig?

  • In Japan herrschte zwischen 2010 und 2013 eine anhaltende Disinflation.
  • Im Vereinigten Königreich blieben die Preise für Waren und Dienstleistungen zwischen 2010 und 2013 stabil.
  • In China lag zwischen 2011 und 2013 Deflation vor.
  • Das Preisniveau in Nauru ist Ende 2013 niedriger als zu Beginn des Jahres 2010.
  • Disinflation beschreibt eine sinkende Inflationsrate. Während Japan zwischen 2010 und 2013 eine Deflation erlebte, wurde die Inflationsrate weniger negativ, stieg also in diesem Zeitraum sogar an.
  • Im Vereinigten Königreich blieb die Inflationsrate stabil. Das bedeutet, dass der Preis mit einer stabilen Rate gestiegen ist, nicht dass das Preisniveau stabil geblieben ist.
  • In China herrschte Disinflation (sinkende Inflationsrate), nicht Deflation (sinkendes Preisniveau).
  • Das Preisniveau Ende 2013 beträgt (1 - 0,182) × (1 + 0,181) × (1 + 0,241) × (1 - 0,217) = 0,939 des Preisniveaus zu Beginn des Jahres 2010, das heißt ein Rückgang von 6,1 %.

Frage 15.2 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Die folgende Tabelle zeigt den Nominalzinssatz und die jährliche Inflationsrate (den BIP-Deflator) Japans im Zeitraum 1996–2015 (Quelle: Weltbank).

  1996–2000 2001–2005 2006–2010 2011–2015
Zinssatz 1,5 % 1,4 % 1,3 % 1,2 %
Inflationsrate –1,9 % –0,9 % –0,5 % 1,6 %

Welche der folgenden Aussagen sind richtig?

  • Der Realzinssatz lag im Zeitraum 1996–2000 bei –0,4 %.
  • Der Realzinssatz Japans ist in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen.
  • Der Realzinssatz Japans hat sich in diesem Zeitraum von einem positiven in einen negativen Wert geändert.
  • Der Realzinssatz ist schneller gesunken als der Nominalzinssatz.
  • Unter Verwendung der Fisher-Gleichung betrug der Realzinssatz im Zeitraum 1996–2000 1,5 – (–1,9) = 3,4 %.
  • Die Realzinssätze für die vier Zeiträume sind: 3,4 %, 2,3 %, 1,8 % beziehungsweise –0,4 %. Der Realzinssatz ist also während des gesamten Zeitraums kontinuierlich gesunken.
  • Er war in den ersten drei Zeiträumen positiv und wurde in den Jahren 2011–2015 negativ.
  • Der Rückgang des Realzinssatzes ist jedes Jahr größer als der Rückgang des Nominalzinssatzes, da auch die Inflationsrate anstieg.

15.2 Inflation resultiert aus sich widersprechenden und inkonsistenten Ansprüchen an den Output

Wenn die Konflikte zwischen den Beteiligten in der Wirtschaft so größ sind, dass ihre Ansprüche auf Waren und Dienstleistungen nicht übereinstimmen, entsteht Inflation. Was damit gemeint ist, werden wir jetzt sehen.

Stellen Sie sich eine Wirtschaft vor, die aus vielen Unternehmen (die jeweils einer einzelnen Person gehören) und deren Beschäftigten besteht, die auch die Verbrauchenden der verschiedenen von den Unternehmen produzierten Güter sind. Um den Überblick über die Vorgänge in den Unternehmen zu behalten, gehen wir davon aus, dass die Preise von der Marketingabteilung und die Löhne von der Personalabteilung festgelegt werden.

Zu Beginn legt die Marketingabteilung in jedem Unternehmen die Preise auf der Grundlage des Preisaufschlags fest. Der Preisaufschlag maximiert den Gewinn der Unternehmen, gegeben der Intensität des Wettbewerbs auf den Märkten auf denen das Unternehmen seine Güter verkauft (wie wir in den Einheiten 7 und 9 gesehen haben). Außerdem legt die Personalabteilung den Reallohn für die Beschäftigten (das heißt den Nominallohn im Unternehmen, geteilt durch das Preisniveau in der Wirtschaft) als den niedrigsten Lohn fest, der angesichts der Arbeitslosigkeit die Beschäftigten motiviert hart zu arbeiten (wie wir in den Einheiten 6 und 9 gesehen haben).

Wenn, nachdem alle Unternehmen ihre Löhne und Preise festgelegt haben, der Stundenlohn und das Preisniveau mit der Gewinnmaximierung der Unternehmen übereinstimmen, dann gibt es keinen Grund, warum sich Preise oder Löhne weiter ändern sollten. Bei dieser Arbeitslosenquote ist das Preisniveau konstant (Inflation gleich Null). Dies ist die Höhe der Arbeitslosigkeit, bei der sich die Lohnsetzungskurve und die Preissetzungskurve schneiden, das heißt das Nash-Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt, das wir in Einheit 9 gesehen haben.

Protektionismus
Maßnahmen einer Regierung zur Begrenzung des Handels, insbesondere zur Verringerung der Importe in der Wirtschaft. Sie sollen die einheimische Industrie vor externer Konkurrenz schützen. Sie können verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel Steuern auf Importe oder Quoten für Importe.

Nehmen wir nun an, dass die Regierung einen sogenannten Schutzzoll (Protektionismus) einführt, der es ausländischen Unternehmen erschwert, in die inländischen Märkte einzutreten. In den Märkten, in denen das Unternehmen aktiv ist, hat der Wettbewerb abgenommen, sodass das Unternehmen einen höheren Preisaufschlag auf seine Kosten verlangen kann. Wenn dies in der gesamten Wirtschaft der Fall ist, führt der daraus resultierende Anstieg des Preisniveaus zu einem Rückgang des Reallohns der Beschäftigten. Doch während sich die jeweiligen Eigentümer:innen eines Unternehmens über den höheren Preis freuen, den die Marketingabteilung nun verlangen kann, sind die Beschäftigten mit dem Rückgang des Reallohns unzufrieden. Das Ergebnis ist, dass die Beschäftigten nicht mehr ausreichend motiviert sind. Die Personalabteilung des Unternehmens wird also ihren Nominallohn erhöhen, und alle anderen Unternehmen werden das Gleiche tun. Sowohl die Preise als auch die Löhne sind gestiegen, und die Wirtschaft erlebt eine Inflation.

Ist das das Ende? Nein. Durch die Erhöhung der Nominallöhne sind die Produktionskosten der Unternehmen gestiegen, und sie werden dies als Grundlage für ihre Preisaufschläge verwenden. Das führt zu einem weiteren Anstieg der Preise und einem Rückgang der Reallöhne, was die Personalabteilung durch eine erneute Erhöhung der Nominallöhne korrigieren wird. Der Prozess der steigenden Löhne und Preise wird sich fortsetzen, solange:

  • Die Unternehmen mächtig genug sind, um den höheren Preisaufschlag zu verlangen
  • Die Beschäftigten bei der gegebenen Arbeitslosenquote über eine ausreichende Verhandlungsmacht verfügen, um den anfänglichen Reallohn zu verlangen, der sie dazu motiviert hart zu arbeiten

In dem genannten Beispiel stieg die Inflation, während die Arbeitslosigkeit unverändert blieb, nachdem sich die Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen verändert hatten. Dadurch konnten die Unternehmen ihre Preisaufschläge anheben, was die Gewinne der Eigentümer:innen erhöht. Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten, wie der Prozess vom gleichen Ausgangspunkt aus hätte beginnen können. Angenommen, der Grad des Wettbewerbs auf den Märkten bleibt gleich, aber das Beschäftigungsniveau steigt an. Bei der nun niedrigeren Arbeitslosigkeit würden die Unternehmen den Beschäftigten einen höheren Reallohn zahlen wollen, um sie zu harter Arbeit zu motivieren. Dies veranlasst die Marketingabteilungen der Unternehmen, ihre Preise zu erhöhen, um den Preisaufschlag beizubehalten, den die Wettbewerbsbedingungen zuließen. Und aucuh so könnte der inflationäre Prozess beginnen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Inflation entstehen kann durch:

  • Eine Zunahme der Verhandlungsmacht der Unternehmen gegenüber den verbrauchenden Personen: Sie wird durch einen Rückgang des Wettbewerbs verursacht, der es den Unternehmen ermöglicht, einen höheren Preisaufschlag zu verlangen. Es handelt sich um eine Abwärtsverschiebung der Preissetzungskurve.
  • Eine Zunahme der Verhandlungsmacht der Beschäftigten gegenüber den Unternehmen: Dies ermöglicht es ihnen, im Gegenzug für ihre harte Arbeit einen höheren Lohn zu erhalten.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Verhandlungsmacht der Beschäftigten gestärkt werden kann:

  • Eine Verschiebung der Lohnsetzungskurve nach oben: Der Lohn, den sie erhalten würden, ist bei jedem Beschäftigungsniveau höher.
  • Ein Anstieg des Beschäftigungsniveaus, der sich entlang der Lohnsetzungskurve bewegt: In diesem Fall bleibt die Lohnsetzungskurve unverändert.

In Einheit 9 haben wir die Gründe für die Verschiebung der Lohnsetzungskurve untersucht, wie zum Beispiel eine großzügigere Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes oder stärkere Gewerkschaften. Die Bewegung entlang der Lohnsetzungskurve und nicht eine Verschiebung der Kurve ist das, was wir im Folgenden analysieren werden.

Lohninflation
Ein Anstieg des Nominallohns. Normalerweise über ein Jahr gemessen. Siehe auch: Nominallohn.

Abbildung 15.2 fasst drei Ursachen der Inflation zusammen. In Abschnitt 15.3 wird erläutert, wie sich die in Abbildung 15.2 dargestellten Veränderungen der Verhandlungsmacht in Inflation niederschlagen. Die dritte Ursache—höhere Beschäftigung kann zu Inflation führen—kam ans Licht, als der Ökonom William (Bill) Phillips ein Streudiagramm der jährlichen Lohninflation und Arbeitslosigkeit in der britischen Wirtschaft veröffentlichte. Dies ist in Abbildung 15.3 dargestellt.

Drei Ursachen der Inflation: Veränderungen der Verhandlungsmacht.
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Abbildung 15.2 Drei Ursachen der Inflation: Veränderungen der Verhandlungsmacht.

Die Macht der Eigentümer:innen steigt im Verhältnis zur Macht der verbrauchenden Personen
: Zum Beispiel aufgrund des geringeren Wettbewerbs (mittel- bis langfristiger Effekt).
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Die Macht der Eigentümer:innen steigt im Verhältnis zur Macht der verbrauchenden Personen

Zum Beispiel aufgrund des geringeren Wettbewerbs (mittel- bis langfristiger Effekt).

Die Macht der Beschäftigten nimmt im Verhältnis zu den Eigentümer:innen zu
: Zum Beispiel durch stärkere Gewerkschaften (mittel- bis langfristiger Effekt).
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Die Macht der Beschäftigten nimmt im Verhältnis zu den Eigentümer:innen zu

Zum Beispiel durch stärkere Gewerkschaften (mittel- bis langfristiger Effekt).

Die Macht der Beschäftigten nimmt im Verhältnis zu den Eigentümer:innen zu
: Zum Beispiel aufgrund eines Konjunkturzyklus-Aufschwungs (kurz- bis mittelfristiger Effekt).
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Die Macht der Beschäftigten nimmt im Verhältnis zu den Eigentümer:innen zu

Zum Beispiel aufgrund eines Konjunkturzyklus-Aufschwungs (kurz- bis mittelfristiger Effekt).

Phillips ursprüngliche Kurve: Lohninflation und Arbeitslosigkeit (1861–1913).
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Abbildung 15.3 Phillips ursprüngliche Kurve: Lohninflation und Arbeitslosigkeit (1861–1913).

Ryland Thomas und Nicholas Dimsdale. (2017). ‘A Millennium of UK Data’. Bank of England OBRA dataset.

Große Ökonominnen und Ökonomen Bill Phillips

Bill Phillips A. W. (‚Bill‘) Phillips (1914–1975) war ein ungewöhnlich schillernder Charakter für einen weltberühmten Ökonomen. Aufgewachsen in Neuseeland, verbrachte Phillips einige Zeit als Krokodiljäger, Filmregisseur und Kriegsgefangener in Indonesien während des Zweiten Weltkriegs, bevor er schließlich Professor an der London School of Economics wurde.

Phillips war Ingenieur und baute 1949 während seines Soziologiestudiums in London eine hydraulische Maschine zur Modellierung der britischen Wirtschaft. Der Monetary National Income Analogue Computer (MONIAC) nutzte transparente Rohre und farbiges Wasser, um die Gleichungen der Volkswirtschaftslehre zum Leben zu erwecken. MONIAC ähnelte dem hydraulischen Modell der Wirtschaft, das Irving Fisher ein halbes Jahrhundert zuvor entwickelt hatte (siehe Einheit 2), war aber wesentlich aufwändiger. MONIAC verfügte über Tanks für jede der Komponenten des inländischen BIP, wie Investitionen, Konsum und Ausgaben der Regierung. Importe und Exporte wurden durch Hinzufügen oder Ablassen von Wasser aus dem Modell dargestellt. Mit der Maschine konnten die Auswirkungen von Schocks auf die Wirtschaft modelliert werden, wenn verschiedene Variablen wie Steuersätze und Staatsausgaben die Flüsse zwischen den Tanks in Bewegung setzen. Funktionsfähige Versionen der Maschine befinden sich noch immer im Londoner Science Museum und in Universitäten auf der ganzen Welt.2

Phillipskurve
Ein umgekehrtes Verhältnis zwischen der Inflationsrate und der Arbeitslosigkeit.

In einer Arbeit von 1958 leistete Phillips einen weiteren wichtigen Beitrag zur Volkswirtschaftslehre. Indem er ein Streudiagramm der Daten für die Arbeitslosenquote und die Inflation in der britischen Wirtschaft zwischen 1861 und 1913 erstellte, stellte er fest, dass niedrige Arbeitslosenquoten mit hohen Inflationsraten und hohe Arbeitslosigkeit mit niedriger Inflation verbunden waren. Diese Beziehung wird seither als Phillipskurve bezeichnet.

Frage 15.3 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Das folgende Diagramm stellt das Modell des Arbeitsmarktes dar:

Der Arbeitsmarkt
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Nehmen wir nun an, dass die Regierung politische Maßnahmen ergreift, die es ausländischen Unternehmen erschweren, in ihre Märkte einzutreten. Nehmen wir an, dass das Beschäftigungsniveau und das Arbeitsangebot konstant bleiben. Welche der folgenden Aussagen zu den Mechanismen, durch die Inflation entsteht, sind richtig?

  • Durch den verringerten Wettbewerb können die Unternehmen nun einen höheren Preisaufschlag auf ihre Kosten verlangen, wodurch die Preissetzungskurve steigt.
  • Da sich der Arbeitsmarkt bei dem niedrigeren Reallohn nicht im Gleichgewicht befindet, fehlt den Beschäftigten nun die Motivation, bei der gegebenen Arbeitslosenquote zu arbeiten. Daher wird der Lohn erhöht, was durch eine Verschiebung der Lohnsetzungskurve nach oben beschrieben wird.
  • Wenn die Unternehmen in der Lage sind, den neuen höheren Preisaufschlag, der nun auf den neuen höheren Lohn angewandt wird, weiter zu erheben, steigt der Preis wieder an und der Reallohn sinkt auf die Preissetzungskurve.
  • Wenn die Beschäftigten in der Lage sind, nach dem Preisanstieg weiterhin den ursprünglichen Reallohn als Minimallohn zu verlangen, um sie zur Arbeit zu motivieren, steigt der Lohn erneut an und erhöht den Reallohn auf das Niveau der Lohnsetzungskurve.
  • Ein höherer Preisaufschlag bedeutet eine Verschiebung der Preissetzungskurve nach unten.
  • Die Löhne steigen, weil die Wirtschaft bei unveränderter Arbeitslosenquote unterhalb der Lohnsetzungskurve liegt. Die Lohnsetzungskurve verschiebt sich nicht.
  • Dieser Prozess wird im Text beschrieben.
  • Dieser Prozess wird im Text beschrieben.

Frage 15.4 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Das folgende Diagramm stellt das Modell des Arbeitsmarktes dar:

Vollbild

Angenommen, die Verhandlungsmacht der Beschäftigten nimmt zu, was zu Inflation führt. Welche der folgenden Aussagen sind richtig?

  • Die Verhandlungsmacht der Beschäftigten kann durch eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes zunehmen, was zu einem Anstieg der Lohnsetzungskurve führt.
  • Die Verhandlungsmacht der Beschäftigten kann durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit entlang einer bestimmten Lohnsetzungskurve zunehmen.
  • Nach dem anfänglichen Anstieg der Verhandlungsmacht der Beschäftigten passen die Unternehmen die Löhne und Preise an, indem sie die Lohnsetzungskurve verschieben, was zu Inflation führt.
  • Nach dem anfänglichen Anstieg der Verhandlungsmacht der Beschäftigten passen die Unternehmen die Löhne und Preise an, was zu Inflation führt. Weder die Lohn- noch die Preissetzungskurve verschieben sich.
  • Die Lohnsetzungskurve erhöht sich, wenn die Verhandlungsmacht der Beschäftigten zunimmt.
  • Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit entlang einer bestimmten Lohnsetzungskurve führt zu einem Rückgang des Reallohns, der erforderlich ist, um zur Arbeit zu motivieren, und zwar unter die Preissetzungskurve. Dies bedeutet einen Rückgang der Verhandlungsmacht der Beschäftigten und führt zu Deflation, nicht zu Inflation.
  • Der Anstieg der Verhandlungsmacht der Beschäftigten kann auf eine Verschiebung der Lohnsetzungskurve nach oben oder auf einen Rückgang der Arbeitslosigkeit entlang der Lohnsetzungskurve zurückzuführen sein. Sobald dies geschehen ist, gibt es keine weitere Verschiebung der Kurven. Die Inflation ist darauf zurückzuführen, dass sich die Wirtschaft nicht mehr im Schnittpunkt der beiden Kurven befindet.
  • Die Inflation entsteht dadurch, dass sich die Wirtschaft nicht mehr im Schnittpunkt der beiden Kurven befindet und sich die Kurven nicht weiter verschieben.

15.3 Inflation, der Konjunkturzyklus und die Phillipskurve

Wenn Zentralbanken der Öffentlichkeit ihre Zinssätze mitteilen, begründen sie eine Erhöhung des Zinssatzes normalerweise damit, dass die prognostizierte Inflation gestiegen ist. Sie erhöhen den Zinssatz, um die aggregierte Nachfrage zu dämpfen, die konjunkturelle Arbeitslosigkeit zu erhöhen und damit die Inflation wieder in Richtung des Zielwertes zu bringen.

Wenn sie dagegen einen niedrigeren Zinssatz ankündigen, begründen sie dies mit der Gefahr einer zu niedrigen Inflation (möglicherweise einer Deflation). Genauso wie ein Rückgang der aggregierten Nachfrage und der Beschäftigung die Inflation senkt, führt ein Anstieg der aggregierten Nachfrage und der Beschäftigung zu einem Anstieg der Inflation.

Um die Inflation zu modellieren, gehen wir davon aus, dass die Personalabteilungen der Unternehmen die Nominallöhne (zum Beispiel in Dollar, Pfund oder Euro) einmal im Jahr festlegen und dass die Marketingabteilungen die Preise unmittelbar nach den Löhnen festlegen. Der Reallohn, um den sich die Beschäftigten sorgen, ist ihr Nominallohn im Verhältnis zum Preisniveau in der gesamten Wirtschaft und ist definiert als:

\[\begin{align*} w = \frac{W}{P} \end{align*}\]
Reallohn
Der Nominallohn, bereinigt um die Preisänderungen zwischen verschiedenen Zeiträumen. Er misst die Menge an Waren und Dienstleistungen, die eine Beschäftigte kaufen kann. Siehe auch: Nominallohn.
Lohn-Preis-Spirale
Wenn auf einen anfänglichen Anstieg der Löhne in der Wirtschaft ein Anstieg des Preisniveaus folgt, auf den ein Anstieg der Löhne folgt und so weiter. Sie kann auch mit einem anfänglichen Anstieg des Preisniveaus beginnen.

Es ist der Reallohn auf der vertikalen Achse im Diagramm des Arbeitsmarktes in Frage 15.4.

Um zu sehen, wie Inflation in einem Konjunkturzyklus-Aufschwung zustande kommt, gehen wir von einer Wirtschaft im Arbeitsmarktgleichgewicht und mit konstanten Preisen aus, und betrachten einen Anstieg der aggregierten Nachfrage, der die Arbeitslosigkeit unter das Gleichgewichtsniveau senkt.

  • Wenn die Arbeitslosigkeit niedrig ist, muss die Personalabteilung höhere Löhne festsetzen: Die Kosten des Arbeitsplatzverlustes sind gering, und die Beschäftigten erwarten höhere Reallöhne, wenn sie effektiv arbeiten sollen.
  • Höhere Löhne bedeuten höhere Kosten für die Unternehmen: Die Marketingabteilung wird die Preise anheben, um die höheren Kosten zu decken. Solange sich die Wettbewerbsbedingungen nicht geändert haben, wird der Preisaufschlag des Unternehmens unverändert bleiben.
  • Das Preisniveau ist gestiegen: Sobald alle Unternehmen in der Wirtschaft höhere Preise festgesetzt haben, hat die Wirtschaft eine Lohn- und Preisinflation erlebt. Und die Reallöhne sind nicht gestiegen: Der prozentuale Anstieg von W ist gleich dem prozentualen Anstieg von P, sodass W/P unverändert bleibt.

Wie geht es nun weiter? Wir nehmen an, dass die aggregierte Nachfrage hoch genug bleibt, um die Arbeitslosigkeit unter dem Arbeitsmarktgleichgewicht zu halten. Bei der nächsten jährlichen Lohnfindungsrunde befindet sich die Personalabteilung in der gleichen Lage wie im Vorjahr: Bei anhaltend niedriger Arbeitslosigkeit sind die Beschäftigten von ihrem Reallohn enttäuscht. Die Personalabteilung muss die Nominallöhne anheben. Wenn die Kosten steigen, hebt die Marketingabteilung die Preise erneut an. Dies nennt man die Lohn-Preis-Spirale. Sie erklärt, warum bei niedriger Arbeitslosigkeit das Preisniveau nicht nur in dem Jahr steigt, in dem die Arbeitslosigkeit gesunken ist, sondern Jahr für Jahr.

Kommt es statt zu einem Boom zu einer Rezession, kehrt sich die Lohn-Preis-Spirale um, und das Preisniveau fällt Jahr für Jahr.

Wir fragen uns nun, warum die Preise Jahr für Jahr konstant waren, bevor der Boom der aggregierten Nachfrage die Arbeitslosigkeit verringerte. Wir werden sehen, dass bei einem Gleichgewicht des Arbeitsmarktes (der normalen Phase des Konjunkturzyklus) kein Druck auf die Löhne und Preise besteht, sich zu verändern. Aus Einheit 9 wissen wir, dass das Arbeitsmarktgleichgewicht dort liegt, wo sich die Lohnsetzungskurve und die Preissetzungskurve kreuzen. Aber warum ist diese Arbeitslosenquote so besonders für die Inflationsrate?

In Abbildung 15.4a befindet sich der Arbeitsmarkt nur im Punkt (A) im Nash-Gleichgewicht, wo der Reallohn auf der Lohnsetzungskurve mit dem Reallohn auf der Preissetzungskurve übereinstimmt. Wie wir in Einheit 9 gesehen haben, machen an diesem Punkt sowohl die Beschäftigten als auch die Unternehmen das Beste, was sie in Anbetracht der Handlungen des jeweils anderen tun können. Bei A addieren sich die Forderungen der Eigentümer:innen nach Gewinnen und die der Beschäftigten nach Reallöhnen genau zur Größe des Kuchens auf. Oder anders ausgedrückt: die Summe der Doppelpfeile, die die Gewinne pro beschäftigter Person und die Reallöhne anzeigen, ist gleich dem Output pro beschäftigter Person, das durch die rote gestrichelte Linie dargestellt ist. Das bedeutet, dass die Personalabteilung keinen Grund hat, die Löhne zu erhöhen, und da die Kosten nicht steigen, wird die Marketingabteilung die Preise unverändert lassen. Der Reallohn wird konstant bleiben, und niemand wird enttäuscht sein.

Inflation und Streit über die Aufteilung des Kuchen: Stabiles Preisniveau bei Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt.
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Abbildung 15.4a Inflation und Streit über die Aufteilung des Kuchen: Stabiles Preisniveau bei Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt.

In einer Wirtschaft mit einer Arbeitslosenquote im Arbeitsmarktgleichgewicht (Punkt A) sind die Löhne und Preise stabil, und die Inflation ist gleich Null.

Wir verwenden nun das Arbeitsmarktdiagramm, um zu sehen, was in einem Boom passiert. Abbildung 15.4b zeigt, wie die Summe aus Ansprüchen der Beschäftigten auf Reallöhne und Ansprüchen der Unternehmen auf reale Gewinne größer als die Gesamtproduktivität ist, wenn die Arbeitslosigkeit unter dem Gleichgewicht liegt. Ebenso ist die Summe kleiner als die Gesamtproduktivität, wenn die Arbeitslosigkeit über dem Gleichgewicht liegt. Liegt die Arbeitslosigkeit unter dem Gleichgewicht, führt dies zu einem Aufwärtsdruck auf Löhne und Preise beziehungsweise zu einer steigenden Lohn-Preis-Spirale. Liegt die Arbeitslosigkeit über dem Gleichgewicht, führt dies zu einem Abwärtsdruck auf Löhne und Preise beziehungsweise zu einer rückläufigen Lohn-Preis-Spirale.

Wenn wir die Beziehung zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit in den drei Phasen des Konjunkturzyklus skizzieren, erhalten wir etwas Ähnliches wie das, was Phillips in den Daten entdeckt hat: Wenn die Arbeitslosigkeit niedriger ist, ist die Inflation höher und umgekehrt.

Inflation und Streit um die Aufteilung des Kuchens bei niedriger und hoher Arbeitslosigkeit.
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Abbildung 15.4b Inflation und Streit um die Aufteilung des Kuchens bei niedriger und hoher Arbeitslosigkeit.

Arbeitsmarktgleichgewicht bei A
: Bei A befindet sich die Wirtschaft im Arbeitsmarktgleichgewicht. Der Reallohn auf der Lohnsetzungskurve ist gleich dem auf der Preissetzungskurve, sodass die Ansprüche der Unternehmen auf realen Gewinn pro beschäftigter Person plus die Ansprüche der Beschäftigten auf Reallöhne zusammen die Arbeitsproduktivität ergeben.
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Arbeitsmarktgleichgewicht bei A

Bei A befindet sich die Wirtschaft im Arbeitsmarktgleichgewicht. Der Reallohn auf der Lohnsetzungskurve ist gleich dem auf der Preissetzungskurve, sodass die Ansprüche der Unternehmen auf realen Gewinn pro beschäftigter Person plus die Ansprüche der Beschäftigten auf Reallöhne zusammen die Arbeitsproduktivität ergeben.

Geringe Arbeitslosigkeit bei B
: Bei niedriger Arbeitslosigkeit steigt der Reallohn, der erforderlich ist, damit die Beschäftigten sich anstrengen, sodass die Lohnforderungen der Beschäftigten und die Gewinnforderungen der Eigentümer:innen widersprüchlich sind: Die Summe ist größer als die Arbeitsproduktivität.
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Geringe Arbeitslosigkeit bei B

Bei niedriger Arbeitslosigkeit steigt der Reallohn, der erforderlich ist, damit die Beschäftigten sich anstrengen, sodass die Lohnforderungen der Beschäftigten und die Gewinnforderungen der Eigentümer:innen widersprüchlich sind: Die Summe ist größer als die Arbeitsproduktivität.

Hohe Arbeitslosigkeit bei C
: Bei hoher Arbeitslosigkeit befinden sich die Beschäftigten in einer schwächeren Verhandlungsposition. Die Forderungen der Beschäftigten und Eigentümer:innen sind in Summe weniger als die Arbeitsproduktivität.
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Hohe Arbeitslosigkeit bei C

Bei hoher Arbeitslosigkeit befinden sich die Beschäftigten in einer schwächeren Verhandlungsposition. Die Forderungen der Beschäftigten und Eigentümer:innen sind in Summe weniger als die Arbeitsproduktivität.

Verhandlungslücke
Die Differenz zwischen dem Reallohn, den die Unternehmen anbieten möchten, um den Beschäftigten Anreize zur Arbeit zu geben, und dem Reallohn, der den Unternehmen den Preisaufschlag ermöglicht, der angesichts des Wettbewerbsgrades die Gewinne maximiert.

Die wichtigste Aussage des Modells der Inflation und des Konflikts zwischen Unternehmen und Beschäftigten ist, dass das Preisniveau entweder steigt oder fällt, wenn die Beschäftigung über oder unter dem Arbeitsmarktgleichgewicht liegt. Wenn der durch die Lohnsetzungskurve gegebene Reallohn und der durch die Preissetzungskurve gegebene Reallohn nicht gleich sind, sprechen wir von einer Verhandlungslücke, die dem vertikalen Abstand zwischen den beiden Kurven entspricht.

  • Wenn die Arbeitslosigkeit niedriger ist als im Gleichgewicht: Es besteht eine positive Verhandlungslücke und es gibt Inflation.
  • Wenn die Arbeitslosigkeit höher ist als im Gleichgewicht: Es besteht eine negative Verhandlungslücke und es kommt zu Deflation.
  • Wenn auf dem Arbeitsmarkt ein Gleichgewicht herrscht: Die Verhandlungslücke ist gleich Null und das Preisniveau ist konstant.

Wenn beispielsweise der Lohn auf der Preissetzungskurve 100 und auf der Lohnsetzungskurve 101 beträgt, ist die Verhandlungslücke 1 %.

Die Verhandlungslücke und die Phillipskurve

Wir können die Kausalkette von der Verhandlungslücke zur Inflation wie folgt zusammenfassen:

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Zur Erinnerung: Inflation ist als prozentualer Anstieg der Preise definiert. Um die Inflationsrate zu berechnen, verwenden wir also folgende Formel:

\[\begin{align*} \text{Inflation (%)} &\equiv \text{Preisanstieg (%)} \\ &= \text{Anstieg der Kosten pro Einheit des Outputs (%)} \\ &= \text{Lohnerhöhung (%)}~(\text{wenn die Löhne die einzigen Kosten sind}) \\ &= \text{Verhandlungslücke (%)} \end{align*}\]

Verhandlungslücke

Differenz zwischen dem Reallohn, den die Unternehmen anbieten wollen, um den Beschäftigten Anreize für harte Arbeit zu bieten (Lohnsetzungskurve), und dem Reallohn, der den Unternehmen den Preisaufschlag ermöglicht, der die Gewinne maximiert und sie dazu motivieren, weiter im Geschäft zu bleiben (Preissetzungskurve).

  • Ist die Verhandlungslücke positiv, liegt der Reallohn auf der Lohnsetzungskurve über der Preissetzungskurve, und die Ansprüche der Eigentümer:innen auf den Output je beschäftigter Person sind inkonsistent.
  • Die prozentuale Verhandlungslücke ist gleich dem Lohn auf der Lohnsetzungskurve minus dem Lohn auf der Preissetzungskurve, dividiert durch den Lohn auf der Preissetzungskurve.

In Abbildung 15.4c zeichnen wir ein neues Diagramm unterhalb der Lohnsetzungskurve und der Preissetzungskurve. Dies ist das Diagramm der Phillipskurve, mit der Inflation auf der vertikalen Achse und der Beschäftigung auf der horizontalen Achse. Wenn wir von einer Beschäftigung im Gleichgewicht des Arbeitsmarktes und einer Inflation von Null ausgehen, stellen wir fest, dass die Wirtschaft in diesem Zustand verharren kann: Es besteht kein Druck, das Preisniveau zu erhöhen oder zu senken. Dies ergibt einen Punkt auf der Phillipskurve. Betrachten wir nun ein höheres Beschäftigungsniveau aufgrund einer stärkeren aggregierten Nachfrage. Es entsteht eine positive Verhandlungslücke, und die Löhne und Preise werden steigen. Die Unternehmen erhöhen die Löhne als Reaktion auf den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Das Preisniveau steigt, da die Unternehmen ihre Preise als Reaktion auf den Anstieg ihrer Arbeitskosten anheben. Wenn die Verhandlungslücke 1 % beträgt, steigen die Preise und Löhne um 1 %. Daraus ergibt sich ein zweiter Punkt auf der Phillipskurve.

Verhandlungslücken, Inflation und die Phillipskurve.
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Abbildung 15.4c Verhandlungslücken, Inflation und die Phillipskurve.

Arbeitsmarktgleichgewicht
: Die Verhandlungslücke ist gleich Null und die Inflation ist gleich Null.
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Arbeitsmarktgleichgewicht

Die Verhandlungslücke ist gleich Null und die Inflation ist gleich Null.

Geringe Arbeitslosigkeit
: Die Verhandlungslücke ist positiv und die Inflation ist positiv.
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Geringe Arbeitslosigkeit

Die Verhandlungslücke ist positiv und die Inflation ist positiv.

Hohe Arbeitslosigkeit
: Die Verhandlungslücke ist negativ und die Inflation ist negativ.
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Hohe Arbeitslosigkeit

Die Verhandlungslücke ist negativ und die Inflation ist negativ.

Solange die Beschäftigung über dem Arbeitsmarktgleichgewicht liegt, werden die Beschäftigten am Ende des Jahres enttäuscht sein. Ihr Reallohn wird nicht um 1 % gestiegen sein, wie sie erwartet hatten, also werden sie eine weitere Erhöhung um 1 % aushandeln. Das Ergebnis: Löhne und Preise werden auch im folgenden Jahr um 1 % steigen: Die Unternehmen werden die Löhne um 1 % anheben, um den Reallohn an die Lohnsetzungskurve heranzuführen, und sie werden die Preise als Reaktion auf diese Kostensteigerung um 1 % anheben. Wir werden eine niedrigere Arbeitslosigkeit und eine höhere Inflation beobachten, genau wie in Phillips ursprünglichem Streudiagramm.

Um das Bild zu vervollständigen, fügen wir das Multiplikatormodell unter den Diagrammen des Arbeitsmarktes und der Phillipskurve ein, um die kurz- und mittelfristigen Modelle zusammenzuführen. Dadurch wird deutlich, dass:

  • Bei einem höheren Niveau der aggregierten Nachfrage (einem Boom) ist die Inflation positiv: Die Arbeitslosigkeit ist niedriger, was bedeutet, dass es eine positive Verhandlungslücke gibt, sodass die Löhne und Preise kontinuierlich steigen.
  • Bei einem niedrigeren Niveau der aggregierten Nachfrage (Rezession) herrscht Deflation: Die Arbeitslosigkeit ist höher, das heißt es besteht eine negative Verhandlungslücke.
Die kurz- und mittelfristigen Modelle: Aggregierte Nachfrage, Beschäftigung und Inflation.
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Abbildung 15.4d Die kurz- und mittelfristigen Modelle: Aggregierte Nachfrage, Beschäftigung und Inflation.

Arbeitsmarktgleichgewicht
: Wenn das Niveau der aggregierten Nachfrage zu einem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt führt, ist das Preisniveau stabil (die Inflation ist gleich Null).
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Arbeitsmarktgleichgewicht

Wenn das Niveau der aggregierten Nachfrage zu einem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt führt, ist das Preisniveau stabil (die Inflation ist gleich Null).

Ein Boom
: Bei einem höheren Niveau der aggregierten Nachfrage (Boom) besteht eine positive Verhandlungslücke und die Inflation ist positiv.
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Ein Boom

Bei einem höheren Niveau der aggregierten Nachfrage (Boom) besteht eine positive Verhandlungslücke und die Inflation ist positiv.

Eine Rezession
: Bei einem niedrigeren Niveau der aggregierten Nachfrage (Rezession) kommt es zu einer negativen Verhandlungslücke und Deflation.
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Eine Rezession

Bei einem niedrigeren Niveau der aggregierten Nachfrage (Rezession) kommt es zu einer negativen Verhandlungslücke und Deflation.

Übung 15.1 Die Verhandlungslücke in einer Rezession

Angenommen, die Wirtschaft befindet sich anfangs im Arbeitsmarktgleichgewicht mit stabilen Preisen (Inflation gleich Null). Zu Beginn des ersten Jahres gehen die Investitionen zurück und die Wirtschaft gerät in eine Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit.

  1. Erklären Sie, warum eine negative Verhandlungslücke entsteht.
  2. Nehmen Sie an, die negative Verhandlungslücke beträgt 1 %. Zeichnen Sie ein Diagramm mit den Jahren auf der horizontalen Achse und dem Preisniveau auf der vertikalen Achse. Skizzieren Sie, ausgehend von einem Index von 100, den Verlauf des Preisniveaus für die folgenden fünf Jahre, wenn das Verhandlungsgefälle bei −1 % bleibt.
  3. Wer gewinnt in dieser Wirtschaft und wer verliert?

Übung 15.2 Positive und negative Schocks

Zeichnen Sie ein Diagramm des Arbeitsmarktes, in dem sich die Wirtschaft im Arbeitsmarktgleichgewicht mit stabilen Preisen befindet. Betrachten Sie nun:

  • Einen positiven Schock der aggregierten Nachfrage, der die Arbeitslosenquote um zwei Prozentpunkte senkt.
  • Einen negativen Schock, der die Arbeitslosenquote um zwei Prozentpunkte erhöht.
  1. Was passiert mit der Verhandlungslücke in jedem einzelnen Fall?
  2. Was würden Sie erwarten, was mit dem Preisniveau in jedem einzelnen Fall geschieht? Erklären Sie Ihre Antworten.

Frage 15.5 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Siehe Abbildung 15.4d für Diagramme des Arbeitsmarktmodells, der Phillipskurve und des Multiplikatormodells der aggregierten Nachfrage. Dargestellt sind die Arbeitslosenquoten und die Verhandlungslücken in verschiedenen Stadien der Wirtschaft.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Es gibt keine Inflation, wenn die Arbeitslosenquote gleich Null ist.
  • Im dargestellten Boom führt die Aufwärtsverschiebung der aggregierten Nachfragekurve zu einer Verringerung der Arbeitslosenquote, was wiederum eine Verhandlungslücke von 1 % zur Folge hat.
  • In der dargestellten Rezession erhöht die Abwärtsverschiebung der aggregierten Nachfragekurve die Arbeitslosenquote, wodurch wiederum eine Verhandlungslücke von 0,5 % entsteht.
  • Die resultierende Phillipskurve zeigt eine positive Korrelation zwischen der Arbeitslosenquote und der Inflationsrate.
  • Im Modell des Arbeitsmarktes ist die Arbeitslosenquote immer positiv (siehe Einheit 9). Wenn U unter 3 % liegt, dann gäbe es eine noch größere positive Verhandlungslücke als bei U = 3 und eine noch höhere Inflation. Die Inflation ist im Diagramm nur dann gleich Null, wenn die Arbeitslosenquote 6 % beträgt.
  • Im Punkt B liegt die Arbeitslosigkeit unter dem Arbeitsmarktgleichgewicht, wodurch eine positive Verhandlungslücke entsteht.
  • Die durch die Rezession entstandene Verhandlungslücke beträgt –0,5 %, ist also negativ.
  • Die Phillipskurve zeigt eine positive Korrelation zwischen der Beschäftigungsquote und der Inflationsrate, das heißt eine negative Korrelation zwischen der Arbeitslosenquote und der Inflationsrate.

15.4 Inflation und Arbeitslosigkeit: Einschränkungen und Präferenzen

Die ursprüngliche Phillipskurve und das Modell in Abbildung 15.4d legen nahe, dass es einen dauerhaften Trade-Off zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit gibt. Wenn die Regierung beispielsweise mit der Phillipskurve in der Abbildung zufrieden ist und jedes Jahr eine Inflation von 1 % wünscht, dann kann sie Jahr für Jahr einen Boom der aggregierten Nachfrage mit einer Arbeitslosenquote von 3 % unterstützen.

realisierbare Menge
Die Gesamtheit der Kombinationen der betrachteten Güter, die eine entscheidende Person unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, physischen oder sonstigen Beschränkungen, wählen könnte. Siehe auch: Machbarkeitsgrenze.

Wenn sie stabile Preise (Null-Inflation) bevorzugt, dann muss sie die aggregierte Nachfrage auf dem normalen Niveau halten, mit einer Arbeitslosigkeit von 6 %. Dies legt nahe, dass die Phillipskurve eine realisierbare Menge ist, aus der die politischen Entscheidungsträger:innen die gewünschte Kombination aus Arbeitslosigkeit und Inflation auswählen können. Die politischen Entscheidungsträger:innen bevorzugen eine niedrige Inflation und eine hohe Beschäftigung, und diese Präferenzen können als Indifferenzkurven dargestellt werden.

Gehen Sie die Schritte der Analyse in Abbildung 15.5 durch, um zu sehen, wie die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen durch Indifferenzkurven beschrieben werden.

Beachten Sie zunächst einige wichtige Merkmale des Diagramms. Beim Zeichnen von Indifferenzkurven wird in der Regel eine Wahl, die weiter vom Ursprung entfernt ist, bevorzugt, da mehr von dem, was auf jeder Achse liegt, bevorzugt wird. In diesem Fall wird das beste Ergebnis der politischen Entscheidungsträger:innen durch den Punkt F dargestellt, bei dem die Inflation das Ziel erreicht und Vollbeschäftigung herrscht. Wie wir am Ende von Abschnitt 15.1 gesehen haben, werden die politischen Entscheidungsträger:innen wahrscheinlich eine niedrige (stabile) Inflation dem Nullpunkt vorziehen. Das bedeutet, dass die Indifferenzkurven bei einer Inflation von zum Beispiel 2 % vertikal werden. Oberhalb des Inflationsziels sind die Indifferenzkurven steigend, da eine Annäherung der Beschäftigung an die Vollbeschäftigung die Inkaufnahme einer höheren (über dem Zielwert liegenden) Inflation rechtfertigt. Unterhalb der Zielinflation sind die Indifferenzkurven fallend, da eine Annäherung der Beschäftigung an die Vollbeschäftigung es wert ist, eine niedrigere Inflation (unterhalb des Ziels) in Kauf zu nehmen.

Wir gehen davon aus, dass es abnehmende Grenzerträge für die beiden Ziele—hohe Beschäftigung und niedrige Inflation—gibt. Dies bedeutet, dass die Indifferenzkurve flacher verläuft, wenn das Ergebnis weiter vom Inflationsziel entfernt ist, aber näher an der Vollbeschäftigung liegt, weil die politischen Entscheidungsträger:innen mehr Wert darauf legen, dem Inflationsziel näher zu kommen. Umgekehrt ist die Indifferenzkurve steiler, wenn das Ergebnis weiter von der Vollbeschäftigung entfernt ist, aber näher am Inflationsziel liegt, weil die politischen Entscheidungsträger:innen mehr Wert darauf legen, näher an die Vollbeschäftigung heranzukommen.

Die Phillipskurve und die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen.
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Abbildung 15.5 Die Phillipskurve und die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen.

Die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen
: Die Abbildung zeigt die Indifferenzkurven der politischen Entscheidungsträger:innen.
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Die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen

Die Abbildung zeigt die Indifferenzkurven der politischen Entscheidungsträger:innen.

Hohe Beschäftigung und Inflation
: Wenn die Beschäftigung und die Inflation sehr hoch sind, ist die Indifferenzkurve flach.
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Hohe Beschäftigung und Inflation

Wenn die Beschäftigung und die Inflation sehr hoch sind, ist die Indifferenzkurve flach.

Geringere Beschäftigung und Inflation
: Wenn Inflation und Beschäftigung niedriger sind, ist die Indifferenzkurve steiler.
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Geringere Beschäftigung und Inflation

Wenn Inflation und Beschäftigung niedriger sind, ist die Indifferenzkurve steiler.

Inflation bei 2%
: Die Indifferenzkurve ist senkrecht, wenn die Inflation bei 2 % liegt.
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Inflation bei 2%

Die Indifferenzkurve ist senkrecht, wenn die Inflation bei 2 % liegt.

Vollbeschäftigung
: Die Indifferenzkurve ist horizontal, wenn Beschäftigung = Arbeitsangebot.
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Vollbeschäftigung

Die Indifferenzkurve ist horizontal, wenn Beschäftigung = Arbeitsangebot.

Die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen
: F kennzeichnet die von den politischen Entscheidungsträger:innen bevorzugte Kombination aus Inflation und Arbeitslosigkeit.
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Die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen

F kennzeichnet die von den politischen Entscheidungsträger:innen bevorzugte Kombination aus Inflation und Arbeitslosigkeit.

Die realisierbare Menge
: Die politischen Entscheidungsträger:innen wählen aus der realisierbaren Menge auf der Phillipskurve.
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Die realisierbare Menge

Die politischen Entscheidungsträger:innen wählen aus der realisierbaren Menge auf der Phillipskurve.

Das bevorzugte realisierbare Ergebnis
: Dies ist auf der Phillipskurve am Punkt C.
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Das bevorzugte realisierbare Ergebnis

Dies ist auf der Phillipskurve am Punkt C.

Auf der rechten Seite der Abbildung sind die Indifferenzkurven und die Phillipskurve dargestellt. Die politischen Entscheidungsträger:innen betrachten die Phillipskurve als realisierbare Menge und werden versuchen, mit Hilfe von Geld- oder Fiskalpolitiken das Niveau der aggregierten Nachfrage so zu wählen, dass die Beschäftigung bei C liegt. Dies ist die Indifferenzkurve, die dem besten Ergebnis von F am nächsten kommt, was dem Trade-Off der Phillipskurve entspricht.

In diesem Beispiel ziehen die politischen Entscheidungsträger:innen eine Kombination von 3 % Arbeitslosigkeit und 5 % Inflation einer anderen möglichen Kombination von 6 % Arbeitslosigkeit und einem stabilen Preisniveau (Null-Inflation) vor.

Übung 15.3 Die Phillipskurve und die Präferenzen der politischen Entscheidungsträger:innen

Die folgenden Fragen beziehen sich auf Abbildung 15.5.

  1. Wie würden die Indifferenzkurven der politischen Entscheidungsträger:innen aussehen, wenn sich diese nur um eine niedrige Arbeitslosigkeit kümmern würden?
  2. Welchen Punkt auf der Phillipskurve würden diese politischen Entscheidungsträger:innen wählen?
  3. Wie sähen die Indifferenzkurven aus, wenn die politischen Entscheidungsträger:innen sich nur um eine niedrige Inflation kümmern würden?
  4. Welchen Punkt auf der Phillipskurve würde dann gewählt?
  5. Wie sähen die Indifferenzkurven aus, wenn die politischen Entscheidungsträger:innen, um wiedergewählt zu werden, die Unterstützung der Rentenbeziehenden mehr bräuchte als die der Erwerbstätigen?

15.5 Was ist mit der Phillipskurve passiert?

Das Modell in Abbildung 15.5 legt nahe, dass politische Entscheidungsträger:innen, welche in der Lage sind, das Niveau der aggregierten Nachfrage anzupassen, eine beliebige Kombination aus Inflation und Arbeitslosigkeit entlang der Phillipskurve wählen können. Die Daten in Abbildung 15.6 deuten jedoch darauf hin, dass der Trade-Off zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit nicht stabil ist. Es gibt eine Vielzahl von Datenpunkten und keine erkennbare, positiv verlaufende Phillipskurve.

Abbildung 15.6 zeigt die Kombinationen aus Inflation und Arbeitslosigkeit für die USA für jedes Jahr zwischen 1960 und 2020. Beachten Sie, dass auf der horizontalen Achse die Skala für die Arbeitslosenquote mit zunehmender Entfernung nach rechts in der Abbildung abnimmt. Eine Phillipskurve, die durch die Beobachtungen in den 1960er Jahren skizziert wurde, vermittelt ein recht gutes Bild des Trade-Offs zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit in diesem Jahrzehnt. In anderen Zeiträumen ist diese Kurve jedoch nicht passend. Die Abbildung zeigt, wie sich die Phillipskurve im Laufe der Zeit verändert hat.

Phillipskurven in den USA (1960–2020).
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Abbildung 15.6 Phillipskurven in den USA (1960–2020).

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Wo liegt die Phillipskurve?
: Die Abbildung zeigt die Kombinationen aus Inflation und Arbeitslosigkeit in den USA für jedes Jahr zwischen 1960 und 2020.
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Wo liegt die Phillipskurve?

Die Abbildung zeigt die Kombinationen aus Inflation und Arbeitslosigkeit in den USA für jedes Jahr zwischen 1960 und 2020.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Eine sich verschiebende Kurve
: Anhand der Abbildung lässt sich zeigen, wie sich die Phillipskurve im Laufe der Zeit verschoben hat.
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Eine sich verschiebende Kurve

Anhand der Abbildung lässt sich zeigen, wie sich die Phillipskurve im Laufe der Zeit verschoben hat.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Die 1960er
: Die Phillipskurve für die 1960er Jahre zeigt, dass sich die Wirtschaft in einem guten Zustand befand. Die USA konnten eine Kombination aus relativ niedriger Inflation und Arbeitslosigkeit erreichen.
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Die 1960er

Die Phillipskurve für die 1960er Jahre zeigt, dass sich die Wirtschaft in einem guten Zustand befand. Die USA konnten eine Kombination aus relativ niedriger Inflation und Arbeitslosigkeit erreichen.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Die frühen 1970er
: In den frühen 1970er Jahren scheint sich die Phillipskurve nach oben verschoben zu haben.
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Die frühen 1970er

In den frühen 1970er Jahren scheint sich die Phillipskurve nach oben verschoben zu haben.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Die späten 1970er
: Ende der 1970er Jahre verschiebt sich die Kurve weiter nach oben.
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Die späten 1970er

Ende der 1970er Jahre verschiebt sich die Kurve weiter nach oben.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Die 1980er
: Und Anfang der 1980er Jahre stieg sie weiter an, wodurch sich das Missverhältnis zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation weiter verschärfte.
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Die 1980er

Und Anfang der 1980er Jahre stieg sie weiter an, wodurch sich das Missverhältnis zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation weiter verschärfte.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

Die 1990er
: In den späten 1990er bis 2000er Jahren, als auch in den späten 2000er Jahren bis heute ist die Phillipskurve niedrig und flach.
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Die 1990er

In den späten 1990er bis 2000er Jahren, als auch in den späten 2000er Jahren bis heute ist die Phillipskurve niedrig und flach.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2021. FRED.

In seiner Präsidentschaftsrede vor der American Economic Association im Dezember 1967 gab Milton Friedman eine Erklärung dafür, warum die Phillipskurve nicht stabil ist. Er verwies auf die jüngsten Erfahrungen in den USA. Seit 1966 war die Arbeitslosigkeit mit durchschnittlich 3,7 % konstant geblieben, aber die Inflation war von 3,0 % auf 1,2 % gesunken. Die Arbeitslosigkeit könne nur dann auf dem Niveau von 3 % gehalten werden, wenn die Inflation weiter ansteige: „Es gibt immer einen temporären Trade-Off zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit, aber keinen dauerhaften Trade-Off“ sagte er.3 Das wusste Helmut Schmidt, wollte es aber 1972 vor den Wahlberechtigten nicht zugeben.

Wenn es keinen dauerhaften Trade-Off gibt, dann ist die Phillipskurve keine realisierbare Menge, so wie es die Machbarkeitsgrenze des Konsums war: Die Machbarkeitsgrenze des Konsums bleibt bestehen, wenn ein anderer Punkt auf ihr gewählt wird. Im Gegensatz dazu zeigte Friedman, unterstützt durch Belege aus vielen Ländern aus den späten 1960er Jahren, dass eine Regierung, die versucht, die Arbeitslosigkeit „zu niedrig“ zu halten, nicht nur eine höhere Inflation, sondern auch eine steigende Inflation zur Folge hat.

Inflation bedeutet steigende Preise. Steigende Inflation bedeutet, dass die Preise immer schneller steigen. Dies bedeutet, dass sich die Phillipskurve immer weiter nach oben verschieben würde.

15.6 Erwartete Inflation und die Phillipskurve

Wir erklären nun, warum sich die Phillipskurve verschiebt: Warum steigt die Inflation weiter, wenn die Regierungen versuchen, die Arbeitslosigkeit zu niedrig zu halten? Wir werden zeigen, dass es nur eine Arbeitslosenquote gibt, bei der die Inflation stabil ist, und dass dies das Nash-Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt ist.

Für die folgenden Überlegungen, müssen wir zwei Überlegungen aus früheren Einheiten aufgreifen:

  • Menschen sind zukunftsorientiert: Wir haben dies in den Einheiten 6, 9, 10 und 13 erklärt. Sie handeln jetzt unter Berücksichtigung der Dinge, die sie in Zukunft erwarten. Um dies zu betonen, sagen Ökonominnen und Ökonomen, dass „Erwartungen eine Rolle spielen“.
  • Menschen verstehen Preise als Botschaften: Friedrich Hayek hat uns das gelehrt (siehe Einheit 11). Deshalb verstehen die Menschen auch Preisänderungen als Botschaften darüber, was in der Zukunft geschehen wird, so wie die Menschen eine Wolkenbildung als Vorhersage von Regen betrachten.
erwartete Inflation
Die Meinung der Lohn- und Preissetzenden über die Höhe der Inflation in der nächsten Periode. Siehe auch: Inflation.

Anhand dieser beiden Bausteine können wir erkennen, warum Friedman Recht hatte. Neben dem Kampf um den Kuchen zwischen den Beschäftigten und den Eigentümer:innen von Unternehmen, der die Hauptursache für steigende Preise ist, zeigte Friedman, dass die Inflation bei niedriger Arbeitslosigkeit immer weiter zunimmt. Dies liegt an der Art und Weise, wie die Lohn- und Preissetzenden ihre Ansichten über die Entwicklung der Inflation bilden. Wir bezeichnen dies als erwartete Inflation. Das Verhalten der Inflation wird beide Elemente widerspiegeln.

Erwartete Inflation

Wir führen die Rolle der erwarteten Inflation ein, indem wir zur Phillipskurve zurückkehren.

Betrachten Sie Abbildung 15.7. Sie werden feststellen, dass bei einem Arbeitsmarktgleichgewicht mit einer Arbeitslosenquote von 6 % die Inflationsrate 3 % beträgt und nicht Null wie in Abbildung 15.4d.

Wenn die Lohn- und Preissetzenden davon ausgehen, dass die Preise jährlich um 3 % steigen werden, dabei die aggregierte Nachfrage „normal“ ist und die Arbeitslosigkeit bei 6 % hält, dann kann die Wirtschaft im Arbeitsmarktgleichgewicht bleiben, wobei die Inflation konstant bei 3 % pro Jahr bleibt. Jedes Jahr werden die Löhne und Preise um 3 % steigen, und der Reallohn wird auf dem Schnittpunkt der Lohn- und Preissetzungskurve bleiben. Dies ist Punkt A.

Verhandlungslücken, erwartete Inflation und die Phillipskurve.
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Abbildung 15.7 Verhandlungslücken, erwartete Inflation und die Phillipskurve.

Arbeitsmarktgleichgewicht
: Beim Arbeitsmarktgleichgewicht beträgt die Inflation wie erwartet 3 %.
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Arbeitsmarktgleichgewicht

Beim Arbeitsmarktgleichgewicht beträgt die Inflation wie erwartet 3 %.

Ein Boom
: Bei geringerer Arbeitslosigkeit beträgt die Verhandlungslücke 2 %.
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Ein Boom

Bei geringerer Arbeitslosigkeit beträgt die Verhandlungslücke 2 %.

Die neue Inflationsrate von 5 %
: Bei B ist die Inflation gleich der erwarteten Inflation plus der Verhandlungslücke.
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Die neue Inflationsrate von 5 %

Bei B ist die Inflation gleich der erwarteten Inflation plus der Verhandlungslücke.

Betrachten wir nun einen Boom, der die Wirtschaft zu einer niedrigeren Arbeitslosigkeit am Punkt B führt. Was wird mit der Inflation geschehen? Die Beschäftigten erwarten einen Preisanstieg von 3 % und benötigen einen Nominallohnanstieg von 3 %, damit sich ihr Reallohn nicht verändert. Sie benötigen jedoch einen zusätzlichen Anstieg von 2 %, um einen erwarteten Reallohnanstieg auf der Lohnsetzungskurve zu erhalten, sodass die Löhne um 5 % steigen. Da ihre Kosten um 5 % steigen, werden die Unternehmen ihre Preise um 5 % erhöhen. Während des Booms wird die Inflation 5 % betragen. Dies ergibt eine Phillipskurve, wie wir sie bereits gesehen haben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Inflation im Arbeitsmarktgleichgewicht 3 % und nicht Null beträgt.

Wenn die Inflation nicht bei Null liegt, können wir die Kausalkette von der erwarteten Inflation und der Verhandlungslücke zur Inflation wie folgt zusammenfassen:

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Zur Berechnung der Inflationsrate:

\[\begin{align*} \text{Inflation (%)} &\equiv \text{Preisanstieg (%)} \\ &= \text{Anstieg der Kosten pro Einheit des Outputs (%)} \\ &= \text{Lohnerhöhung (%)}~(\text{wenn die Löhne die einzigen Kosten sind}) \\ &= \text{erwartete Inflation (%) + Verhandlungslücke (%)} \end{align*}\]

Friedman wies jedoch darauf hin, dass die Inflation bei niedriger Arbeitslosigkeit am Punkt B nicht bei 5 % bleiben würde. Um das zu verstehen, fragen wir uns, was in einem solchen Fall passieren würde.

Die sich verschiebende Phillipskurve

Bei anhaltend niedriger Arbeitslosigkeit werden die Beschäftigten enttäuscht sein, da sie ihren erwarteten Reallohn nicht erreicht haben. Warum haben sie ihn nicht erreicht? Die Beschäftigten erwarteten von ihrer Nominallohnerhöhung von 5 % (um den Reallohn auf der Lohnsetzungskurve zu erhalten) eine Reallohnerhöhung von 2 % bei B, die sie jedoch nicht erhielten, weil die Unternehmen ihre Preise um 5 % erhöhten.

Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Wir wissen, dass beide Parteien mit dem Ergebnis bei niedriger Arbeitslosigkeit nicht zufrieden sein können, weil ihre Forderungen mehr als die Größe des Kuchens sind. Nun nehmen wir an, dass die Beschäftigten erwarten, dass die Inflation im nächsten Jahr genauso hoch sein wird wie die Inflation im letzten Jahr. Bei der nächsten Lohnfindungsrunde muss die Personalabteilung also berücksichtigen, dass die Beschäftigten einen Preisanstieg von 5 % erwarten. Eine andere Interpretation ist, dass die Personalabteilung die Inflation des vergangenen Jahres in den Lohnabschluss einbezieht, um den Reallohnverlust auszugleichen, den die Beschäftigten erlitten haben, weil die Inflation höher als erwartet ausgefallen ist. Um also eine weitere Reallohnerhöhung von 2 % zu erreichen, legt die Personalabteilung eine Lohnerhöhung von 7 % fest. Dieser Prozess setzt sich fort, wobei die Inflationsrate im Laufe der Zeit steigt.

Die Tabelle in Abbildung 15.8 fasst die Situation zusammen. Wir vergleichen die Situation über einen Zeitraum von drei Jahren mit einer Arbeitslosigkeit auf zwei Niveaus: 6 % und 3 %.

Jahr Erwartete Inflation (Inflation des Vorjahres) Arbeitslosigkeit Verhandlungslücke Inflationsergebnis: Erwartungen plus Verhandlungslücke
Stabile Inflation 1 3 % 6 % 0 % 3 %
2 3 % 6 % 0 % 3 %
3 3 % 6 % 0 % 3 %
Steigende Inflation 1 3 % 3 % 2 % 5 %
2 5 % 3 % 2 % 7 %
3 7 % 3 % 2 % 9 %

Abbildung 15.8 Instabile Phillipskurven: Erwartete Inflation und die Verhandlungslücke.

Die erste Spalte von Abbildung 15.8 spiegelt das vorausschauende Verhalten wider. Die erwartete Inflation für das kommende Jahr basiert auf der Inflation des Vorjahres. Die zweite Spalte zeigt die Arbeitslosenquote. Die dritte Spalte zeigt die Verhandlungslücke. Die vierte Spalte zeigt das Ergebnis der Inflation, das die Erwartungen und die Verhandlungslücke widerspiegelt.

Wir können die Kausalkette von der Inflationsrate der letzten Periode zur Inflationsrate der aktuellen Periode wie folgt zusammenfassen:

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Zur Berechnung der Inflationsrate:

\[\begin{align*} \text{Inflation (%)} &\equiv \text{Preisanstieg (%)} \\ &= \text{Anstieg der Kosten pro Einheit des Outputs (%)} \\ &= \text{Lohnerhöhung (%)}~(\text{wenn die Löhne die einzigen Kosten sind}) \\ &= \text{Erwartete Inflation (%) + Verhandlungslücke (%)} \\ &= \text{Inflation der letzten Periode + Verhandlungslücke (%)} \\ \end{align*}\]

Wir können die Daten in der Tabelle in Abbildung 15.8 und in den Diagrammen zur Phillipskurve und zum Arbeitsmarkt in Abbildung 15.9 darstellen. Der Fall einer stabilen Inflation liegt bei Punkt A mit einer Arbeitslosigkeit von 6 % und einer Inflation von 3 %, Jahr für Jahr. Bei niedriger Arbeitslosigkeit (3 %) verschiebt sich die Phillipskurve von Punkt B nach oben zu Punkt C, wenn die erwartete Inflation von 3 % auf 5 % ansteigt.

Inflationserwartungen und Phillipskurven.
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Abbildung 15.9 Inflationserwartungen und Phillipskurven.

Arbeitsmarktgleichgewicht bei A
: Die Inflation liegt wie erwartet bei 3 %.
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Arbeitsmarktgleichgewicht bei A

Die Inflation liegt wie erwartet bei 3 %.

Ein Boom: Erster Zeitraum bei B
: Bei geringerer Arbeitslosigkeit beträgt die Verhandlungslücke 2 %. Die Inflation ist gleich der erwarteten Inflation plus der Verhandlungslücke.
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Ein Boom: Erster Zeitraum bei B

Bei geringerer Arbeitslosigkeit beträgt die Verhandlungslücke 2 %. Die Inflation ist gleich der erwarteten Inflation plus der Verhandlungslücke.

Ein Boom: Nächster Zeitraum bei C
: In der nächsten Periode, in der die Arbeitslosigkeit immer noch niedrig bei 3 % liegt, ist die Inflation gleich der erwarteten Inflation plus der Verhandlungslücke. Die Phillipskurve hat sich nach oben verschoben, weil die erwartete Inflation gestiegen ist.
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Ein Boom: Nächster Zeitraum bei C

In der nächsten Periode, in der die Arbeitslosigkeit immer noch niedrig bei 3 % liegt, ist die Inflation gleich der erwarteten Inflation plus der Verhandlungslücke. Die Phillipskurve hat sich nach oben verschoben, weil die erwartete Inflation gestiegen ist.

inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote
Die Arbeitslosenquote (bei dem Arbeitsmarktgleichgewicht), bei der die Inflation konstant ist. Ursprünglich als „natürliche Arbeitslosenquote“ bekannt. Auch bekannt als: nichtbeschleunigende Arbeitslosenquote, stabile Inflationsquote der Arbeitslosigkeit. Siehe auch: Gleichgewichtsarbeitslosigkeit.

Die Abbildung 15.10 zeigt den zeitlichen Verlauf der Inflation, wobei die Verhandlungslücke und die erwartete Inflation unterschiedlich stark zur Inflation beitragen. In diesem Beispiel öffnet sich die Verhandlungslücke im Jahr 1 aufgrund des Übergangs zu niedriger Arbeitslosigkeit. Die Annahme, dass die Arbeitslosigkeit unterhalb der inflationsstabilisierenden Arbeitslosenquote bleibt, spiegelt sich in der anhaltenden Verhandlungslücke wider. Die Inflation steigt in jeder Periode an, weil die Inflation der Vorperiode in die erwartete Inflation und damit in die Lohn- und Preisinflation einfließt. Man beachte, dass sich der Reallohn nicht ändert, sondern auf der Preissetzungskurve bleibt.

Inflation, erwartete Inflation und die Verhandlungslücke.
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Abbildung 15.10 Inflation, erwartete Inflation und die Verhandlungslücke.

Eine Verhandlungslücke von Null
: Die Inflation ist wie erwartet: 3 %.
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Eine Verhandlungslücke von Null

Die Inflation ist wie erwartet: 3 %.

Jahr 1
: Zu Beginn von Jahr 1, nach der Öffnung der Verhandlungslücke und nach der Anpassung der Löhne und Preise, entspricht die Inflation der Verhandlungslücke (2 %) zuzüglich der erwarteten Inflation (3 %).
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Jahr 1

Zu Beginn von Jahr 1, nach der Öffnung der Verhandlungslücke und nach der Anpassung der Löhne und Preise, entspricht die Inflation der Verhandlungslücke (2 %) zuzüglich der erwarteten Inflation (3 %).

Jahr 2
: Zu Beginn von Jahr 2, bei unveränderter Verhandlungslücke, steigt die Inflation auf 7 %, was der Verhandlungslücke plus der erwarteten Inflation entspricht.
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Jahr 2

Zu Beginn von Jahr 2, bei unveränderter Verhandlungslücke, steigt die Inflation auf 7 %, was der Verhandlungslücke plus der erwarteten Inflation entspricht.

… und jedes Jahr danach
: Solange die Verhandlungslücke unverändert bleibt, steigt die Inflation von Jahr zu Jahr.
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… und jedes Jahr danach

Solange die Verhandlungslücke unverändert bleibt, steigt die Inflation von Jahr zu Jahr.

Übung 15.4 Ein negativer Schock der aggregierten Nachfrage mit hoher Arbeitslosigkeit

Kopieren Sie Abbildung 15.9, wobei Sie darauf achten sollten, dass links von der Markierung für 6 % Arbeitslosigkeit genügend Platz bleibt. Nehmen wir an, dass ausgehend von einer Ausgangsposition bei A ein negativer Schock für die Nachfrage des privaten Sektors eintritt, zum Beispiel ein Rückgang der privaten Investitionen, der die Arbeitslosigkeit auf 9 % ansteigen lässt.

  1. Zeigen Sie die Inflation, die erwartete Inflation und die Verhandlungslücke bei der neuen Arbeitslosigkeit in Ihrem Diagramm.
  2. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Inflation in den folgenden zwei Jahren entwickeln, wenn sich die Arbeitslosigkeit nicht weiter erhöht? 
  3. Zeichnen Sie die Phillipskurven und erläutern Sie kurz Ihre Ergebnisse.

Übung 15.5 Inflation, erwartete Inflation und die Verhandlungslücke

Verwenden Sie die gleichen Achsen wie in Abbildung 15.10, um die Inflation, die erwartete Inflation und die Verhandlungslücke in einem einzigen Diagramm darzustellen. Nehmen wir an, dass das Preisniveau in der Periode Null konstant ist. Die Wirtschaft wird zu Beginn der Periode 1 von einer Rezession getroffen, und die Arbeitslosigkeit bleibt bis zum Beginn der Periode 6 auf einem konstant hohen Niveau.

  1. Zeichnen Sie den Verlauf der Verhandlungslücke ein.
  2. Zeichnen Sie den Verlauf der Inflation und der erwarteten Inflation ein.
  3. Erläutern Sie kurz, warum die Verhandlungslücke verschwunden sein könnte, und nennen Sie weitere von Ihnen getroffenen Annahmen. Fassen Sie Ihre Ergebnisse zusammen.

Frage 15.6 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Abbildung 15.6 ist ein Streudiagramm der Inflationsrate und der Arbeitslosenquote für die USA für jedes Jahr zwischen 1960 und 2020.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die Phillipskurve ist über die Jahre hinweg stabil.
  • Die Phillipskurve hat sich im Laufe des Zeitraums nach oben verschoben.
  • In den 1960er Jahren deutet die Phillipskurve auf einen Trade-Off zwischen einem Rückgang der Arbeitslosenquote um 2 % und einem Anstieg der Inflationsrate um 2–3 % hin.
  • In der jüngsten Zeit konnte die Wirtschaft der USA ihre Inflationsrate senken, ohne dass sich dies auf die Arbeitslosenquote ausgewirkt hätte.
  • Aus dem Diagramm geht eindeutig hervor, dass dies nicht stimmt.
  • Die Phillipskurve verlief bis in die 1980er Jahre nach oben, in den 1990er und 2010er Jahren jedoch nach unten.
  • Dies spiegelt die Steigung der Phillipskurve in den 1960er Jahren wider.
  • Eine flachere Phillipskurve bedeutet im Gegenteil, dass ein geringer Rückgang der Inflationsrate mit einem starken Anstieg der Arbeitslosenquote einhergeht. Dies bedeutet jedoch auch, dass ein relativ starker Rückgang der Arbeitslosenquote mit einem nur geringen Anstieg der Inflationsrate einhergeht.

Frage 15.7 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Abbildung 15.9 zeigt die Diagramme des Arbeitsmarktmodells und der Phillipskurve, die die Inflationserwartungen berücksichtigt.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Das Arbeitsmarktgleichgewicht tritt bei einer Inflation von Null und einer Arbeitslosenquote von 6 % ein.
  • Wenn die Arbeitslosenquote auf 3 % sinkt, verschiebt sich die Phillipskurve sofort nach oben.
  • Die Verhandlungslücke kehrt nach der ersten Lohn- und Preissetzungsrunde auf Null zurück.
  • Eine Verschiebung der Phillipskurve nach oben bedeutet eine steigende Inflation bei einer gegebenen Arbeitslosenquote.
  • In diesem Diagramm tritt das Arbeitsmarktgleichgewicht bei einer Inflation von 3 % auf der unteren der beiden Phillipskurven ein. Bei einem Arbeitsmarktgleichgewicht von 6 % Arbeitslosigkeit wird die Inflation jedoch konstant sein, unabhängig davon, auf welchem Niveau sie beginnt. Die Phillipskurve verschiebt sich nicht nach oben, wenn sich die Wirtschaft im Gleichgewicht des Arbeitsmarktes befindet.
  • Bei einer Arbeitslosigkeit von 3 % steigt der Lohn entlang der Phillipskurve zunächst auf 5 % an. Die Verschiebung der Kurve erfolgt in der nächsten Phase, wenn die Inflation der vorangegangenen Periode in die erwartete Inflation der nächsten Periode einfließt.
  • Bei einer stabilen Arbeitslosenquote von 3 % bleibt die Verhandlungslücke bei 2 %. Dies führt zu einem weiteren Anstieg der Inflationsrate.
  • Die Phillipskurve verschiebt sich weiter nach oben, solange eine positive Verhandlungslücke besteht, die durch die niedrige Arbeitslosenquote verursacht wird.

15.7 Angebotsschocks und Inflation

Friedman hatte in zweierlei Hinsicht Recht:

  • Die erwartete Inflation verschiebt die Phillipskurve.
  • Die politischen Entscheidungsträger:innen haben sich geirrt, wenn sie die Phillipskurve als realisierbare Menge betrachteten, aus der sie einfach die bei den Wahlberechtigten beliebteste Kombination aus Inflation und Arbeitslosigkeit auswählen könnten.

Aber es gibt noch andere Ursachen für eine hohe und steigende Inflation. Die Phillipskurve verschiebt sich nach oben, wenn sich die Preissetzungskurve nach unten oder die Lohnsetzungskurve nach oben verschiebt. Erinnern Sie sich an Abbildung 15.2: Wenn die Verhandlungsmacht der Eigentümer:innen von Unternehmen im Verhältnis zu den Verbrauchenden zunimmt, hebt die Marketingabteilung die Preise an und setzt eine Lohn-Preis-Spirale in Gang. In diesem Beispiel haben die Eigentümer:innen von Unternehmen in der heimischen Wirtschaft an Macht gewonnen, weil die Regierung politische Maßnahmen ergriffen hat, die den Zugang ausländischer Unternehmen zur Wirtschaft erschweren. In ähnlicher Weise kann eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen, wenn die Macht der Beschäftigten im Verhältnis zu den Eigentümer:innen zunimmt—was der Fall wäre, wenn die Gewerkschaften an Macht gewinnen und diese Macht nutzen, um von der Personalabteilung höhere Lohnerhöhungen zu erhalten.

Angebotsschock
Eine unerwartete Veränderung auf der Angebotsseite der Wirtschaft, zum Beispiel ein Anstieg oder Rückgang der Ölpreise oder die Verbesserung einer Technologie. Siehe auch: Lohnsetzungskurve, Preissetzungskurve, Phillipskurve.
Nachfrageschock
Eine unerwartete Veränderung der aggregierten Nachfrage, zum Beispiel ein Anstieg oder Rückgang des autonomen Konsums, der Investitionen oder der Exporte. Siehe auch: Angebotsschock.

Schocks, die die Phillipskurve durch eine Veränderung des Arbeitsmarktgleichgewichts verschieben, werden als Angebotsschocks bezeichnet, da der Arbeitsmarkt die Produktion oder das Angebot in der Wirtschaft darstellt. Sie unterscheiden sich von Nachfrageschocks, wie zum Beispiel einer Veränderung der Investitionen oder des Konsums, die über ihren Effekt auf die aggregierte Nachfrage wirken. Während ein negativer Nachfrageschock die Arbeitslosigkeit erhöht und die Inflation senkt, kann ein negativer Angebotsschock gleichzeitig zu höherer Arbeitslosigkeit und Inflation führen.

Auch Veränderungen in der globalen Wirtschaft können Angebotsschocks verursachen, die Inflation auslösen. Eine besonders wichtige Veränderung für das Verständnis der Verschiebungen der Phillipskurven, wie sie in Abbildung 15.6 für die Wirtschaft der USA dargestellt sind, ist eine Änderung des Weltölpreises (auf andere mögliche Ursachen gehen wir in den Einheiten 16 und 17 ein). Das Modell des Arbeitsmarktes und die Phillipskurve können erklären, warum ein einmaliger Anstieg des Weltölpreises zu einer Kombination aus Folgendem führen kann:

  • Einem einmaligen Anstieg des Preisniveaus (Inflation) zum Zeitpunkt des Schocks, und
  • Einer steigenden Inflation im Laufe der Zeit

Zu diesem Zweck zeigen wir, dass ein Anstieg des Ölpreises:

  • Die Preissetzungskurve nach unten verschiebt: Dies führt zu einer positiven Verhandlungslücke und Inflation.
  • Die Phillipskurve nach oben verschiebt: Sie wird sich weiter nach oben verschieben, wenn die erwartete Inflation zunimmt.

Ein Anstieg des Ölpreises drückt die Preissetzungskurve nach unten. Ein typisches Unternehmen verwendet importiertes Öl im Produktionsprozess. Bei gestiegenen Ölkosten können die Gewinne des Unternehmens nur dann unverändert bleiben, wenn die Reallöhne sinken. Auf der Ebene der Wirtschaft als Ganzes schrumpft der zwischen Eigentümer:innen und Beschäftigten im Inland aufzuteilende Kuchen, wenn mehr für Importe bezahlt werden muss.

Im Einstein am Ende dieses Abschnitts zeigen wir, wie sich die Preissetzungskurve verändert, wenn die Unternehmen der Wirtschaft Importe in ihrer Produktion einsetzen.

Ein Anstieg des Ölpreises schafft eine Verhandlungslücke und löst durch seine Wirkung auf das Preisniveau eine Lohn-Preis-Spirale aus. Wenn die Kosten für importiertes Öl steigen, erhöhen die Unternehmen ihre Preise, um ihre Gewinnmargen zu schützen. Unternehmen in der gesamten Wirtschaft werden sich so verhalten, woraufhin das Preisniveau steigen wird. Dadurch sinkt der Reallohn der Beschäftigten, sodass sich die Preissetzungskurve nach unten verschiebt (siehe Einstein am Ende dieses Abschnitts, um zu sehen, wie die Unternehmen ihre Preise nach einem Ölpreisanstieg festlegen). Auf dem anfänglichen Beschäftigungsniveau öffnet sich dadurch eine Verhandlungslücke zwischen dem Reallohn auf der Preissetzungskurve und dem Reallohn auf der Lohnsetzungskurve. Das heißt, der Preisanstieg stellt die Unternehmen zufrieden, doch der damit verbundene Rückgang der Reallöhne stellt die Beschäftigten nicht zufrieden.

In Abbildung 15.11 verschiebt sich die Preissetzungskurve nach dem Ölpreisschock nach unten. In diesem Beispiel öffnet sich nach dem Schock eine Verhandlungslücke von 2 % zwischen der Lohnsetzungskurve und der Preissetzungskurve. Dies entspricht dem Szenario in Abbildung 15.10, wo zu Beginn von Jahr 1 eine Verhandlungslücke von 2 % auftritt. Dadurch steigt die Inflation von ihrem vorherigen Niveau von 3 % auf 5 %, und da sich die erwartete Inflation anpasst, steigt die Inflation danach jedes Jahr an. Die Phillipskurve verschiebt sich von Jahr zu Jahr nach oben.

Ein Ölpreisschock und die Preissetzungskurve.
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Abbildung 15.11 Ein Ölpreisschock und die Preissetzungskurve.

Arbeitsmarktgleichgewicht
: Die Wirtschaft befindet sich zunächst im Punkt A.
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Arbeitsmarktgleichgewicht

Die Wirtschaft befindet sich zunächst im Punkt A.

Ein Ölpreisschock
: Der Ölpreis steigt und verschiebt die Preissetzungskurve nach unten.
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Ein Ölpreisschock

Der Ölpreis steigt und verschiebt die Preissetzungskurve nach unten.

Die Verhandlungslücke
: Wenn die aggregierte Nachfrage aufrechterhalten wird, um die Wirtschaft bei A zu halten, besteht eine positive Verhandlungslücke. Die Inflation wird von Jahr zu Jahr steigen.
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Die Verhandlungslücke

Wenn die aggregierte Nachfrage aufrechterhalten wird, um die Wirtschaft bei A zu halten, besteht eine positive Verhandlungslücke. Die Inflation wird von Jahr zu Jahr steigen.

Ein neues Gleichgewicht
: Es gibt ein neues Arbeitsmarktgleichgewicht bei B mit höherer Arbeitslosigkeit.
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Ein neues Gleichgewicht

Es gibt ein neues Arbeitsmarktgleichgewicht bei B mit höherer Arbeitslosigkeit.

Solange die Beschäftigung auf dem Niveau vor dem Ölpreisschock bleibt, wird die Inflation in jeder Periode steigen, wie in Abbildung 15.10 dargestellt. Das neue Arbeitsmarktgleichgewicht und das inflationsstabilisierende Beschäftigungsniveau nach dem Schock sind in Abbildung 15.11 dargestellt. Die Arbeitslosigkeit ist im neuen Arbeitsmarktgleichgewicht höher, wenn die Preissetzungskurve nach dem Schock die Lohnsetzungskurve schneidet.

Schocks auf den Weltölpreis sind eine wichtige Quelle für makroökonomische Störungen.

Nach dem Ölpreisschock Anfang der 1970er Jahre stieg beispielsweise die Inflation in den USA sprunghaft von 6,2 % im Jahr 1973 auf 9,1 % im Jahr 1975, und die Arbeitslosigkeit erhöhte sich gleichzeitig von 4,9 % auf 8,5 %.

Dieses Muster war in der gesamten entwickelten Welt verbreitet. Im gleichen Zeitraum stieg beispielsweise die Inflation in Spanien von 11,4 % auf 17 % und die Arbeitslosigkeit von 2,7 % auf 4,7 %.

Aus Abbildung 15.12 geht hervor, dass es in den 1970er Jahren im Vereinigten Königreich zwei große Rezessionen gab. Sie waren auf die Ölschocks von 1973–74 und 1979–80 zurückzuführen, die mit einem Anstieg sowohl der Arbeitslosigkeit als auch der Inflation auf den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg einhergingen (die Auswirkungen auf die Inflation können Sie in Abbildung 13.19a und Abbildung 13.19b sehen).

BIP-Wachstum im Vereinigten Königreich und reale Ölpreise (1950–2020).
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Abbildung 15.12 BIP-Wachstum im Vereinigten Königreich und reale Ölpreise (1950–2020).

UK Office for National Statistics; Ryland Thomas und Nicholas Dimsdale. (2017). ‘A Millennium of UK Data’. Bank of England OBRA dataset.

Die hohe Inflation in den 1970er und frühen 1980er Jahren ging in vielen Ländern mit einer hohen Arbeitslosigkeit einher. Im Vereinigten Königreich erreichte die Arbeitslosigkeit Mitte der 1980er Jahre einen Höchststand von fast 12 %.

Das Modell hilft uns zu verstehen, warum der Anstieg des Ölpreises zu steigender Inflation und hoher Arbeitslosigkeit führte. Es hilft aber auch zu erklären, welche Rolle die hohe Arbeitslosigkeit bei der Senkung der Inflation spielte.

Nach dem Modell kann die hohe Inflation nur durch folgende Maßnahmen gesenkt werden:

  • Eine Verkleinerung der Verhandlungslücke,
  • Ein Rückgang der erwarteten Inflation.

Wenn die Arbeitslosigkeit hoch genug ist, entsteht eine negative Verhandlungslücke und die Inflation geht zurück. Damit die Verhandlungslücke negativ wird, muss die Arbeitslosigkeit über die neue höhere inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote steigen. Sobald die Inflation zu sinken beginnt, wird sie weiter sinken, da sich die Phillipskurve nach unten verschiebt und die Wirtschaft den in Abbildung 15.10 dargestellten Weg in umgekehrter Richtung beschreitet.

Inflation und Arbeitslosenquote im Vereinigten Königreich (1950–2015).
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Abbildung 15.13 Inflation und Arbeitslosenquote im Vereinigten Königreich (1950–2015).

UK Office for National Statistics; Ryland Thomas und Nicholas Dimsdale. (2017). ‘A Millennium of UK Data’. Bank of England OBRA dataset.

Abbildung 15.13 zeigt ein Streudiagramm von Arbeitslosigkeit und Inflation für die britische Wirtschaft von 1950 bis 2014. Anstatt die Phillipskurven an die Beobachtungen anzupassen, wie in Abbildung 15.6, werden die Punkte miteinander verbunden und datiert. So können wir den Weg der Wirtschaft besser verfolgen. Beachten Sie den starken Anstieg der Arbeitslosigkeit in den 1980er Jahren, der mit der Senkung der Inflation einherging. Dies wird manchmal als die Kosten der Disinflation bezeichnet.

Aber es gibt ein Rätsel: Warum hat der dritte Ölschock von 2002 bis 2008 nicht zu einem Anstieg der Inflation geführt, so wie die früheren Schocks? Dieser Abschnitt sollte Ihnen einige Ansatzpunkte für diese Frage geliefert haben, und eine Rede des Ökonomen David Walton aus dem Jahr 2006 wird Ihnen dabei helfen.4 Wenn Sie beides aufmerksam lesen, könnten Sie sich die folgenden Fragen stellen:

  • War der Anstieg der Kosten pro produzierter Einheit aufgrund einer weniger energieintensiven Produktion geringer? Dadurch wäre der Anstieg der Materialkosten pro Einheit des Outputs geringer ausgefallen und die anfängliche Abwärtsverschiebung der Preissetzungskurve hätte sich verringert.
  • Hat sich die Lohnsetzungskurve gleichzeitig mit dem dritten Ölpreisschock nach unten verschoben? Auch dies hätte die durch den Ölpreisschock eröffnete Verhandlungslücke verringert oder sie vielleicht sogar beseitigt.
  • Ist eine Lohn-Preis-Spirale ausgeblieben, weil sich die erwartete Inflation nicht nach oben angepasst hat, wie es bei den vergangenen Schocks der Fall war?

Was könnte einen Anstieg der erwarteten Inflation verhindern? Im nächsten Abschnitt untersuchen wir die Rolle der Geldpolitik.

Übung 15.6 Ein Ölpreisschock

Denken Sie über die drei Fragen zu Ölpreisschocks nach, die wir oben aufgeführt haben. In jedem Fall:

  1. Erläutern Sie anhand eines Diagramms den Mechanismus, der den Ölpreisschock mit der Inflation verbindet.
  2. Nennen Sie Belege (zum Beispiel Daten oder Kommentare in der Wirtschaftspresse), die mit der vorgeschlagenen Hypothese übereinstimmen.

Einstein Die Preissetzungskurve mit importierten Materialien

Im Einstein der Einheit 9 haben wir erklärt, wie sich die Preissetzungskurve für die Wirtschaft als Ganzes aus den Entscheidungen der einzelnen Unternehmen ergibt. Hier nehmen wir eine Abkürzung und gehen direkt auf die Wirtschaft als Ganzes ein. Die Unternehmen in der Wirtschaft verwenden sowohl die Produkte anderer Unternehmen in der Wirtschaft als auch importierte Produkte als Inputs. Die Kosten für diese Inputs werden durch die Lohnkosten und die Kosten für importierte Materialien beeinflusst. Nimmt man alle Unternehmen einer Wirtschaft zusammen, so gibt es nur zwei Arten von Kosten: Arbeit und importierte Materialien. (Hier werden wir die Opportunitätskosten der Investitionsgüter, die in der Produktion eingesetzt werden und den Eigentümer:innen der Unternehmen gehören, nicht berücksichtigen).

In Einheit 9 sind wir davon ausgegangen, dass es außer den Investitionsgütern des Unternehmens keine Inputs außer der Arbeit und somit keine anderen Kosten als die Löhne gibt. In diesem Fall entsprach der Wert des Outputs eines Unternehmens der Wertschöpfung des Unternehmens. Die Wertschöpfung pro beschäftiger Person des Unternehmens wurde in Löhne und Gewinne aufgeteilt:

\[\begin{align*} \text{Output pro beschäftigter Person} &= \text{Wertschöpfung pro}\\ &\text{beschäftigter Person}\\ &= \text{Lohn + Gewinn pro beschäftigter} \\ &\text{Person} \end{align*}\]

Nun nehmen wir an, es gibt importierte Materialien wie Öl, die für die Herstellung notwendig sind. Daher umfassen die Kosten des Unternehmens nicht nur die Löhne, sondern auch die Kosten für den Kauf dieser importierten Materialien.

\[\begin{align*} \text{Output pro beschäftigter Person} &= \text{Lohn}\\ &+ \text{Gewinn pro beschäftigter Person}\\ &+ \text{Kosten für importierte Materialien pro} \\ & \text{beschäftigter Person} \\ &= \text{Wertschöpfung pro}\\ & \text{beschäftigter Person} \\ &+ \text{Kosten für importierte Materialien pro} \\ & \text{beschäftigter Person} \\ \end{align*}\]

Damit wird deutlich, dass es im Gegensatz zu Einheit 9, wo es nur zwei Anspruchsgruppen für den Wert des Outputs gab (Löhne und Gewinne), jetzt drei gibt: Löhne, Kosten für importierte Materialien und Gewinne. Dies wirkt sich auf die Preissetzungskurve aus, wie wir noch sehen werden.

Im Einstein der Einheit 9 stand λ für die Wertschöpfung pro beschäftigter Person beziehungsweise für die Arbeitsproduktivität. Jetzt, wo wir andere Inputs als nur den Arbeitseinsatz haben, definieren wir q als die pro beschäftigter Person produzierte Menge des Outputs. Dies ist nicht dasselbe wie die Arbeitsproduktivität, da der Output jetzt die Wertschöpfung um den Wert der importierten Materialien übersteigt.

Da die produzierte Menge pro beschäftigter Person q und der Nominallohn W ist, betragen die Lohnstückkosten (LSK) des Unternehmens:

\[\begin{align*} \text{LSK} \equiv \frac{W}{q} \end{align*}\]

Die Kosten des Unternehmens pro Einheit setzen sich nun aus den Kosten für Löhne pro Einheit (LSK) und den Kosten für importierte Materialien pro Einheit (MSK, Materialstückkosten) zusammen.

Die Kosten pro Einheit (SK, Stückkosten) sind also:

\[\begin{align*} \text{SK = LSK + MSK} \end{align*}\]

Wir definieren den Preisaufschlag μ als den Teil des Preises, der den Gewinn des Unternehmens abbildet (das, was nach Abzug der Kosten pro Einheit übrig bleibt):

\[\begin{align*} \mu &\equiv \frac{(P-\text{MSK}-\text{LSK})}{P} \\ &\equiv 1 - \frac{\text{MSK}}{P} - \frac{\text{LSK}}{P} \end{align*}\]

Beachten Sie, dass MSK/P die importierten Materialkosten als Teil des Preises einer Einheit des Outputs ist, während LSK/P die Lohnkosten als Teil des Preises einer Einheit des Outputs ist. Angenommen, der Preis pro Einheit beträgt 5 USD, importierte Materialien kosten 1 USD pro Einheit und die Arbeitskosten 2,50 USD pro Einheit. Dann machen die importierten Materialien 20 % der Kosten aus, die Löhne weitere 50 %, und der Anteil am Gewinns, beziehungsweise der Gewinnaufschlag, beträgt:

\[\begin{align*} \mu = 1 - \frac{1}{5} - \frac{2,5}{5} = 0,3 \end{align*}\]

was 30 % ergibt.

substituieren von LSK mit W/q gibt uns:

\[\begin{align*} \mu = 1 - \frac{\text{MSK}}{P} - \frac{W/q}{P} \end{align*}\]

Multipliziert man jede Seite mit q und stellt die Gleichung um, erhält man die Preissetzungskurve, wenn man bedenkt, dass P sowohl der Preis des Outputs des einzelnen Unternehmens als auch das allgemeine Preisniveau in der Wirtschaft ist:

\[\begin{align*} \frac{W}{P} \equiv q(1-\mu-\frac{\text{MSK}}{P}) \end{align*}\]

Daraus ergibt sich, dass der Reallohn pro beschäftigter Person gleich dem Output pro beschäftigter Person, q, abzüglich eines Anteils μ, der als Gewinn an die Eigentümer:innen geht, abzüglich eines Anteils MSK/P ist, der an die ausländischen Produzierenden geht, die die importierten Materialien liefern. Jeder Anstieg der Materialkosten pro Einheit, wie etwa ein Anstieg des Ölpreises, verschiebt die Preissetzungskurve nach unten.

Ohne Importe ist q = λ und MSK = 0, und wir erhalten den bekannten Ausdruck für die Preissetzungskurve aus Einheit 9:

\[\begin{align*} \frac{W}{P} \equiv \lambda(1-\mu) \end{align*}\]

Eine äquivalente, aber alternative Version der Gleichung für den Preisaufschlag finden Sie im nächsten Abschnitt.

Die Preisaufschlagsgleichung für das Unternehmen

Wie wir im Einstein in Einheit 9 gesehen haben, ist der von einem gewinnmaximierenden Unternehmen festgesetzte Preis ein Preisaufschlag auf die Kosten, wobei der Preisaufschlag μ der Anteil des Preises ist, der den Gewinn des Unternehmens ausmacht. Dieser Preisaufschlag ist umso niedriger, je mehr Wettbewerb auf dem Markt für den Output herrscht.

Bei der Erklärung des Prozesses der Inflation lassen Ökonominnen und Ökonomen oft vereinfachend die Veränderungen in der Intensität des Wettbewerbs außen vor, um sich darauf zu konzentrieren, wie steigende Kosten zu Preiserhöhungen beitragen. Zu diesem Zweck ist es nützlich, eine Gleichung zu haben, die beschreibt, wie Unternehmen unterschiedliche Preise festlegen, wenn sich ihre Kosten ändern; unter der Annahme, dass die Intensität des Wettbewerbs auf den Gütermärkten (und damit μ) unverändert bleibt.

Zu diesem Zweck verwenden Ökonominnen und Ökonomen die folgende Gleichung:

\[\begin{align*} P &= (1+m)(\text{Kosten pro Einheit}) \\ &= (1+m)(\text{MSK + LSK}) \end{align*}\]

wobei m der prozentuale Preisaufschlag auf die Kosten, MSK die Kosten für importiertes Material pro produzierter Einheit und LSK die Lohnkosten pro produzierter Einheit (Lohnstückkosten) sind.

Die Gleichung für den Preisaufschlag besagt, dass bei Stückkosten von 3 USD und einem Preisaufschlag von m von 10 % der Preis 3,30 USD beträgt. Der Preisaufschlag von 0,30 USD auf die Kosten pro Einheit entspricht also 10 % dieser Kosten. Wenn wir in diesem Fall μ wissen wollen, fragen wir, wie hoch der Preisaufschlag von 0,30 USD als Teil des Gesamtpreises ist, und nicht als Teil der Kosten. Dann ist μ = USD 0,30 / USD 3,30 = 0,09 oder 9 %.

Ein Vorteil der Verwendung von m besteht darin, dass man leicht erkennen kann, dass bei einem festen Preisaufschlag ein Anstieg der Kosten pro Einheit einen entsprechenden Preisanstieg nach sich ziehen muss (zum Beispiel muss ein Anstieg der Kosten pro Einheit um 5 % einen Preisanstieg von 5 % nach sich ziehen). Dies ergibt sich direkt aus der obigen Gleichung zur Festsetzung des Preisaufschlags.

Wir können uns auch fragen, was mit P passiert, wenn nur ein Teil der Kosten steigt, zum Beispiel die Kosten für importierte Materialien. Unter der Annahme, dass m konstant bleibt, ist die prozentuale Änderung des Preises gleich der prozentualen Änderung der Gesamtkosten pro Einheit:

\[\begin{align*} \frac{\Delta P}{P} &= \frac{(1+m)\Delta(\text{MSK + LSK})}{(1+m)(\text{MSK + LSK})} \\ &= \frac{\Delta \text{MSK}}{\text{(MSK + LSK)}} + \frac{\Delta \text{LSK}}{\text{(MSK + LSK)}} \end{align*}\]

Wir teilen nun sowohl den Zähler als auch den Nenner des ersten Terms auf der rechten Seite durch MSK und den zweiten Term durch LSK:

\[\begin{align*} \frac{\Delta P}{P} = \frac{\Delta \text{MSK} / \text{MSK}}{(\text{MSK + LSK})/\text{MSK}} + \frac{\Delta \text{LSK} / \text{LSK}}{(\text{MSK + LSK}) / \text{LSK}} \end{align*}\]

Dies ist gleichbedeutend mit:

\[\begin{align*} \frac{\Delta P}{P} \equiv \frac{\Delta \text{MSK}}{\text{MSK}}\times\frac{\text{MSK}}{(\text{MSK + LSK})} + \frac{\Delta \text{LSK}}{\text{LSK}}\times \frac{\text{LSK}}{(\text{MSK + LSK})} \end{align*}\]

In Worten: Die prozentuale Veränderung von P ist gleich der prozentualen Veränderung der MSK mal dem Anteil der MSK an den Stückkosten, plus der prozentualen Veränderung der LSK, mal dem Anteil der LSK an den Stückkosten. Angenommen, der Preisaufschlag beträgt 60 % und die Stückkosten betragen 5 USD, wovon 4 USD auf Lohnkosten und 1 USD auf importierte Materialien entfallen, so ergibt sich ein Preis von P = 1,6 × USD 5 = USD 8. Die Löhne machen 80 % der Kosten aus; wenn also die Löhne um 10 % steigen, erhöht sich der Preis um 80 % × 10 % = 8 %. In diesem Beispiel steigen die Kosten pro Einheit auf USD 4,4 + USD 1 = USD 5,4, und der Preis steigt auf P = 1,6 × USD 5,4= USD 8,64 (ein Anstieg von 8 %). Wenn der Preis von Importen, wie zum Beispiel Öl, um 10 % steigen würde, würde der Preis um 20 % × 10 % = 2 % steigen.

15.8 Geldpolitik

Wir verwenden die Phillipskurve und die Indifferenzkurven der politischen Entscheidungsträger:innen, um Schocks und darauf folgende politische Reaktionen zu untersuchen. Zuvor müssen wir uns in Erinnerung rufen, wie die Geldpolitik die Wirtschaft beeinflusst.

Wie wir gesehen haben, können wir erklären, warum die Menschen eine steigende oder unbeständige Inflation nicht mögen; aber die meisten Menschen haben nichts gegen ein (langsam) steigendes Preisniveau einzuwenden. Tatsächlich verfolgen viele Zentralbanken auf der ganzen Welt als Ziel eine Inflationsrate von 2 %. Entweder setzen sie sich dieses Ziel selbst, oder die Regierungen geben es ihnen vor. Das bedeutet, dass es für die Zentralbanken am besten ist, wenn das Preisniveau jedes Jahr um annähernd 2 % steigt.

Wenn die Zentralbanken eine Inflationsrate von 2 % anstreben, lautet die beste Antwort auf die Frage „Warum steigt das Preisniveau um 2 %?“: „Weil die Zentralbank dafür sorgt“.

Wenn die Inflation höher oder niedriger prognostiziert wird, kann die Zentralbank Maßnahmen ergreifen, um die aggregierte Nachfrage und die Beschäftigung so zu beeinflussen, dass die Wirtschaft auf das 2 %-Ziel zusteuert. Dies haben wir bereits in Einheit 10 gesehen.

Wenn sie dazu in der Lage sind, verändern die Zentralbanken den Leitzins als geldpolitisches Instrument, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Die Geldpolitik beruht darauf, dass die Zentralbank in der Lage ist, die Zinssätze zu kontrollieren, und dass Änderungen der Zinssätze die aggregierte Nachfrage beeinflussen. Höhere Zinssätze machen es zum Beispiel teurer, Geld für Ausgaben zu leihen. Es ist wichtig zu wissen, dass der Realzinssatz die Ausgaben beeinflusst. Wenn die Zentralbank jedoch den Leitzins festlegt, so tut sie dies nicht in realer, sondern in nominaler Form. Indem sie einen bestimmten Nominalzinssatz festlegt, strebt sie also einen bestimmten Realzinssatz an und berücksichtigt dabei die Auswirkungen der erwarteten Inflation. Unser Einstein am Ende dieses Abschnitts geht auf die dafür relevante Fisher-Gleichung ein.

Die Übertragung der Geldpolitik

Abbildung 15.14 zeigt, wie die Bank of England die Übertragung der Geldpolitik von ihrer Zinssatz-Entscheidung auf die aggregierte Nachfrage und die Inflation in ‚normalen‘ Situationen sieht—das heißt, wenn sie den Zinssatz als politisches Instrument anwendet.

Die Übertragung der Geldpolitik.
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Abbildung 15.14 Die Übertragung der Geldpolitik.

The Bank of England.

Sehen Sie sich die Kästchen in der ersten Spalte von Abbildung 15.14 an.

Marktzinssätze

Leitzins
Der von der Zentralbank festgelegte Zinssatz, der für Banken gilt, die sich Zentralbankgeld untereinander und von der Zentralbank leihen. Auch bekannt als: Leitzins, offizieller Zinssatz. Siehe auch: Realzinssatz, Nominalzinssatz.
Kreditzins (Bank)
Der durchschnittliche Zinssatz, den Geschäftsbanken Unternehmen und Haushalten in Rechnung stellen. Dieser Zinssatz liegt in der Regel über dem Leitzins. Die Differenz ist der Aufschlag oder die Spanne für kommerzielle Kredite. Auch bekannt als: marktüblicher Zinssatz. Siehe auch unter: Zinssatz, Leitzins.

In Einheit 10 haben wir erläutert, dass die Zentralbanken zwar den Leitzins festlegen, die Geschäftsbanken jedoch den Marktzinssatz (auch Kreditzins genannt) bestimmen, den Haushalte und Unternehmen bei der Aufnahme von Darlehen zahlen. Wenn die Zentralbank den Leitzins senkt, um die Ausgaben anzukurbeln, sinkt der Zinssatz am Markt in der Regel um etwa den gleichen Betrag. Um den Leitzins festzulegen, geht die Zentralbank daher von der gewünschten Höhe der aggregierten Nachfrage aus und arbeitet rückwärts:

  1. Sie schätzt auf der Grundlage des Arbeitsmarktgleichgewichts und der Phillipskurve einen Zielwert für die gesamte aggregierte Nachfrage Y, um die Wirtschaft zu stabilisieren.
  2. Dann schätzt sie den Realzinssatz, r, der dieses Niveau der aggregierten Nachfrage erzeugt, indem es die Linie der aggregierten Nachfrage in die gewünschte Position im Multiplikator-Diagramm verschiebt.
  3. Schließlich wird der nominale Leitzins i berechnet, der den entsprechenden Marktzinssatz ergibt.

Stellen Sie sich vor, wie sich ein Rückgang des Zinssatzes auf dem Markt auf die Entscheidung auswirkt, ein neues Haus zu bauen. Die Kosten für die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung des Hausbaus werden sinken, sodass Investierende bei sinkenden Zinssätzen vermehrt neue Immobilienbauprojekte als finanzierbar ansehen werden. Über diesen Kanal erhöht ein niedrigerer Leitzins die Investitionen von Unternehmen und Haushalten, während ein höherer Leitzins sie senkt (siehe Abbildung 14.9).

Preise von Vermögenswerten

Dies bezieht sich auf finanzielle Vermögenswerte wie Staatsanleihen und Aktien, die von Unternehmen ausgegeben werden. Wenn die Zentralbank den Zinssatz ändert, wirkt sich dies auf alle Zinssätze in der Wirtschaft aus, von Hypothekenzinsen bis hin zu den Zinssätzen für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 20 Jahren. Wie wir im Einstein in Einheit 10 gesehen haben, steigt der Preis des Vermögenswertes, wenn der Zinssatz sinkt. Es ist also zu erwarten, dass sich ein Rückgang der Zinssätze auf die Ausgaben auswirkt, weil sich die Haushalte, die Vermögenswerte besitzen, wohlhabender fühlen.

Gewinnerwartungen und Geschäftsklima

In den Einheiten 13 und 14 haben wir die Bedeutung von Gewinnerwartungen und Geschäftsklima für die Investitionsentscheidungen von Unternehmen betont. Bei der Festsetzung des Zinssatzes versucht die Zentralbank, durch eine konsequente Politik und eine gute öffentliche Kommunikation das Geschäftsklima zu verbessern. Wenn sie den Leitzins senkt und ihre Gründe dafür erläutert, kann dies dazu führen, dass die Unternehmen eine höhere Nachfrage erwarten und daher ihre Investitionen erhöhen. Wenn die Zentralbank das Konsumklima der privaten Haushalte stärkt, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht verlieren werden, können auch die Haushalte ihre Ausgaben erhöhen.

Wechselkurs

Im nächsten Abschnitt diskutieren wir, wie die Geldpolitik die aggregierte Nachfrage über den Wechselkurskanal beeinflusst: Sie verschiebt die Linie der aggregierten Nachfrage, indem sie die Nettoexporte (XM) verändert.

Im Multiplikatormodell spiegeln sich die Übertragungskanäle vom Leitzins auf die aggregierte Inlandsnachfrage in der Investitionsfunktion (einschließlich des Immobilienbaus) wider, die sich bei einer Änderung des Realzinssatzes verschiebt. Wir schreiben diese Funktion als I(r). Die Auswirkungen der Erwartungen und der Preise von Vermögenswerten führen zu einer Verschiebung der Investitionsfunktion (siehe Abbildung 14.5) und der Konsumfunktion, indem sie c₀ verändern (Abbildung 14.11a).

Im Multiplikator-Diagramm beinhaltet der Schnittpunkt der Linie der aggregierten Nachfrage mit der vertikalen Achse die Investitionen. Das bedeutet, dass sich die Linie immer dann verschiebt, wenn die Zentralbank den Zinssatz ändert oder wenn sich das Geschäftsklima ändert. Wenn die Zentralbank versucht, die Wirtschaft in einem Konjunkturzyklus-Abschwung anzukurbeln, senkt sie den Zinssatz. Indem sie ihre Bereitschaft zur Wachstumsförderung signalisiert, will die Zentralbank auch das Vertrauen der Entscheidungsträger:innen in Unternehmen und Haushalten beeinflussen und dazu beitragen, dass die Wirtschaft von dem im Koordinationsspiel in Abbildung 13.17 dargestellten Gleichgewicht mit niedrigen Investitionen zu einem Gleichgewicht mit hohen Investitionen übergeht.

Abbildung 15.15 zeigt, wie die Geldpolitik eingesetzt werden kann, um die Wirtschaft nach einem Abschwung zu stabilisieren, der durch einen Rückgang des Konsums verursacht wird (zum Beispiel als Folge eines Rückgangs des Konsumklimas der Verbrauchenden). Folgen Sie den Schritten der Analyse in Abbildung 15.15, um zu sehen, wie eine Senkung des Realzinssatzes die Wirtschaft aus der Rezession führt. In diesem Beispiel gehen wir davon aus, dass der Rückgang des Zinssatzes auf r′ nur die Investitionen erhöht und nicht den autonomen Konsum, der bei c₀′ bleibt.

Der Einsatz der Geldpolitik zur Stabilisierung der Wirtschaft in einer Rezession.
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Abbildung 15.15 Der Einsatz der Geldpolitik zur Stabilisierung der Wirtschaft in einer Rezession.

Gütermarktgleichgewicht
: Die Wirtschaft befindet sich im Gütermarktgleichgewicht bei Punkt A.
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Gütermarktgleichgewicht

Die Wirtschaft befindet sich im Gütermarktgleichgewicht bei Punkt A.

Eine Rezession
: Der Konsum geht dann zurück, wodurch sich die aggregierte Nachfrage nach unten verschiebt und die Wirtschaft in eine Rezession gerät, die sich von Punkt A nach Punkt B bewegt.
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Eine Rezession

Der Konsum geht dann zurück, wodurch sich die aggregierte Nachfrage nach unten verschiebt und die Wirtschaft in eine Rezession gerät, die sich von Punkt A nach Punkt B bewegt.

Geldpolitik
: Um die Wirtschaft zu stabilisieren, kurbelt die Zentralbank Investitionen durch eine Senkung des Realzinssatzes von r auf r′ an. Diese Politik verschiebt die aggregierte Nachfragekurve nach oben und zieht die Wirtschaft aus der Rezession zurück zu ihrem Ausgangspunkt.
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Geldpolitik

Um die Wirtschaft zu stabilisieren, kurbelt die Zentralbank Investitionen durch eine Senkung des Realzinssatzes von r auf r′ an. Diese Politik verschiebt die aggregierte Nachfragekurve nach oben und zieht die Wirtschaft aus der Rezession zurück zu ihrem Ausgangspunkt.

Eine Warnung

Die Verwendung einfacher Diagramme wie Abbildung 15.15 kann den Eindruck erwecken, dass die Zentralbank in der Lage ist, die Wirtschaft durch eine genaue Diagnose eines Schocks und ein präzises Eingreifen mit einer Änderung des Zinssatzes zu stabilisieren. Das ist bei weitem nicht der Fall! Die Wirtschaft sendet alle möglichen Signale aus, und es ist schwierig zu entscheiden, ob es sich bei einem Abschwung um eine vorübergehende Erscheinung handelt oder um einen langfristigen Abschwung. Die von uns verwendeten Modelle helfen uns, unsere Überlegungen über die kausalen Zusammenhänge in der Wirtschaft zu ordnen und herauszufinden, welche politischen Maßnahmen gerechtfertigt sein könnten. Sie liefern kein vollständiges Rezept für eine wirksame Stabilisierung.

Abbildung 15.15 zeigt, wie die Zentralbank versuchen könnte, einer Rezession entgegenzuwirken. Doch wie sollte die Zentralbank auf einen Boom im Konsum reagieren? Sie braucht die entgegengesetzte Politik. Ein Boom wird die Linie der aggregierten Nachfrage nach oben verschieben, sodass die Zentralbank eine Politik verfolgen muss, die die Nachfrage dämpft und die Linie der aggregierten Nachfrage wieder auf ihren Ausgangspunkt zurückführt. Die Zentralbank kann dies tun, indem sie den Zinssatz anhebt.

Aber warum sollte sie einen Boom eindämmen wollen? Aus der Phillipskurve wissen wir, dass ein Boom zu höherer Inflation und, wenn sich die Erwartungen an die vergangene Inflation anpassen, zu steigender Inflation führt. Eine hohe und steigende Inflation ist für die Wirtschaft mit Kosten verbunden.

Wir haben gezeigt, wie die Geldpolitik von der Zentralbank eingesetzt werden kann, um die Wirtschaft in einer Rezession zu stabilisieren. Die Regierung hätte dies auch durch Steuersenkungen oder eine Erhöhung der Staatsausgaben erzielen können.

Warum Geldpolitik? Und wo sind ihre Grenzen? Die Fiskalpolitik ist kompliziert anzupassen und unflexibel. Um die aggregierte Nachfrage in der Nähe des gewünschten Niveaus zu halten, kann die Zentralbank stattdessen den Zinssatz Monat für Monat um kleine Beträge nach oben oder unten anpassen.

Der Nützlichkeit der Geldpolitik bei der Stabilisierung sind jedoch zwei wichtige Grenzen gesetzt:

  • Der kurzfristige Nominalzinssatz kann nicht unter Null sinken: Dies schränkt das geldpolitische Instrument der Zentralbank ein.
  • Ein Land ohne eigene Währung hat keine eigene Geldpolitik.

Der Zero Lower Bound

Zero Lower Bound
Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass der Nominalzinssatz nicht negativ sein kann, wodurch der Nominalzinssatz, der von der Zentralbank festgesetzt werden kann, auf Null begrenzt wird. Siehe auch unter: quantitative Lockerung.

Wäre der Leitzins negativ, würden die Menschen einfach Bargeld halten, anstatt es auf die Bank zu bringen. Denn dann müssten sie die Bank dafür bezahlen, dass sie ihr Geld aufbewahrt (das ist es, was ein negativer Zinssatz bedeutet). Dies ist der Zero Lower Bound für den Nominalzinssatz. Sie ist deshalb von Bedeutung, weil ein Nominalzinssatz von Null bei einer Konjunkturflaute möglicherweise nicht niedrig genug ist, um einen ausreichend niedrigen Realzinssatz zu erreichen, der die zinssensiblen Ausgaben ankurbelt und die Wirtschaft wieder in Gang bringt. Zur Erinnerung: Der Realzinssatz ist gleich dem Nominalzinssatz abzüglich der Inflation. Der Zero Lower Bound für den Nominalzinssatz bedeutet also, dass die Untergrenze für den Realzinssatz gleich minus der Inflationsrate ist. Die Leitzinsen wurden nach der globalen Finanzkrise in vielen Wirtschaften auf nahezu Null gesenkt, was jedoch nicht ausreichte, um die aggregierte Nachfrage wieder ins Gleichgewicht des Arbeitsmarktes zu bringen. Aus diesem Grund plädieren einige Ökonominnen und Ökonomen dafür, dass Länder mit Inflationszielen von 2 % das Ziel auf 4 % anheben sollten, damit die realen Zinssätze in einem Konjunktureinbruch negativer werden können.5

quantitative Lockerung (QL)
Käufe von finanziellen Vermögenswerten durch die Zentralbank mit dem Ziel, die Zinssätze für diese Vermögenswerte zu senken. Die Zentralbank setzt dieses Instrument ein, wenn die herkömmliche Geldpolitik unwirksam ist (zum Beispiel wenn der Leitzins nahe dem Zero Lower Bound liegt). Siehe auch: Zero Lower Bound.

Dies ist auch der Grund, warum die von der globalen Finanzkrise schwer getroffenen Volkswirtschaften eine neue Art der Geldpolitik namens quantitative Lockerung (auch Quantitative Easing, QE) eingeführt haben. Ziel von QE ist es, die aggregierte Nachfrage durch den Ankauf von Vermögenswerten zu erhöhen, selbst wenn der Leitzins bei Null liegt.

Wie soll QE funktionieren?

  • Die Zentralbank kauft Anleihen und andere finanzielle Vermögenswerte: Sie schafft zu diesem Zweck zusätzliches Zentralbankgeld.
  • Dadurch steigt die Nachfrage nach Anleihen und anderen Vermögenswerten: Die Zentralbank verschiebt also die Nachfragekurve für diese Vermögenswerte nach rechts, was den Preis in die Höhe treibt. Dadurch sinken auch der Ertrag und der Zinssatz von Anleihen, wie im Einstein in Einheit 10 erläutert.
  • Dadurch steigen die Ausgaben: Vor allem für Immobilien und langlebige Gebrauchsgüter, da sowohl die Darlehenskosten als auch die Rendite für das Halten von finanziellen Vermögenswerten gesunken sind.

Selbst wenn der Zinssatz, den die Zentralbank direkt steuert, bei Null liegt, kann sie also mit QE versuchen, die Zinssätze für eine Vielzahl anderer finanzieller Vermögenswerte zu senken. Die empirischen Belege deuten darauf hin, dass die Auswirkungen von QE auf die aggregierte Nachfrage zwar positiv, aber gering sind.

Keine nationale Geldpolitik

Währungsunion
Eine Gruppe von Ländern, die die gleiche Währung verwenden. Das bedeutet, dass es nur eine Geldpolitik für diese Gruppe gibt. Auch bekannt als: Währungsunion.

Möglicherweise steht einem Land individuelle Geldpolitik nicht zur Verfügung. Die Länder der Eurozone haben ihre individuelle Geldpolitik aufgegeben, als sie der Währungsunion beitraten. Die Eurozone wird als gemeinsamer Währungsraum (oder Währungsunion) bezeichnet, weil alle Länder in dem gemeinsamen Währungsraum den Euro verwenden. Das bedeutet, dass es nur eine Geldpolitik für die gesamte Eurozone gibt. Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt legt den Leitzins fest, denn sie kontrolliert das Zentralbankgeld, das von allen Banken in der Eurozone verwendet wird. Dieser Zinssatz kann für einige Länder angemessener sein als für andere. Insbesondere nach der Finanzkrise war die Arbeitslosigkeit in Deutschland niedrig und rückläufig, während sie in den südlichen Ländern der Eurozone, wie Spanien und Griechenland, hoch war und schnell anstieg. Es gab viele Beschwerden darüber, dass die Geldpolitik der EZB für die Bedürfnisse dieser Länder zu lange zu restriktiv war.

Übung 15.7 Fiskalpolitik oder Geldpolitik?

Erinnern Sie sich an die Diskussion über die Finanzen der Regierungen in Einheit 14.

  1. Sollte die Regierung im Falle einer Finanzkrise die Wirtschaft lieber durch Fiskalpolitik oder Geldpolitik stabilisieren?
  2. Welche Gefahren birgt der Einsatz der Fiskalpolitik?
  3. Wann hat die Regierung keine andere Wahl als die Fiskalpolitik?

Frage 15.8 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Welche der folgenden Aussagen zur Geldpolitik ist richtig?

  • Wenn die Zinssätze sinken, steigen die Preise für Vermögenswerte.
  • Der Zero Lower Bound bezieht sich auf die Unfähigkeit der Zentralbanken, den Realzinssatz auf unter Null zu setzen.
  • Bei der quantitativen Lockerung senkt die Zentralbank ihren offiziellen Zinssatz.
  • Zinssätze können in einer Währungsunion nicht festgelegt werden.
  • Dies wird in der Einheit 10 im Einstein erklärt.
  • Die Zentralbank kann den Realzinssatz auf unter Null setzen, indem sie den Nominalzinssatz unter die Inflationsrate setzt (erinnern Sie sich an die Fisher-Gleichung). Das Problem ist, dass sie nicht in der Lage ist, den Nominalzinssatz unter Null zu setzen, sodass der Realzinssatz nicht unter minus die Inflationsrate sinken kann.
  • Bei der quantitativen Lockerung kauft die Zentralbank Anleihen und andere finanzielle Vermögenswerte und verschiebt die Nachfragekurve für diese Vermögenswerte nach rechts. Dies führt zu einem Preisanstieg der Vermögenswerte und einem Rückgang der Zinssätze (Erträge) für diese Vermögenswerte.
  • Die Länder der Währungsunion verlieren ihre Möglichkeit, den Zinssatz auf nationaler Ebene festzulegen. Stattdessen wird der Zinssatz von der Zentralbank der Währungsunion (zum Beispiel der EZB für die Eurozone) festgelegt.

Einstein Der Realzinssatz und die Fisher-Gleichung

In Einheit 10 wurde eingeführt, dass der Zinssatz angibt, wie viele Dollar (oder Euro, Pfund oder die von Ihnen verwendete Währung) Sie in der Zukunft dafür zahlen müssen, wenn Sie sich heute 1 USD leihen. Wenn Sie ein Darlehen geben, sagt der Zinssatz Ihnen, wie viele USD Sie in der Zukunft erhalten, wenn Sie heute auf die Nutzung von 1 USD verzichten.

Die Zinssätze, die Sie in den Schaufenstern oder Webseiten der Banken sehen, sind Nominalzinssätze. Das heißt, dass sie die Inflation nicht berücksichtigen. Wenn Sie ein Darlehen geben, wollen Sie eigentlich wissen, wie viele Güter Sie in der Zukunft im Austausch für die Güter erhalten, die Sie jetzt nicht konsumieren. Wenn Sie ein Darlehen aufnehmen, kommt es für Sie darauf an, auf wie viele Güter Sie in der Zukunft verzichten müssen, um die Zinsen zu zahlen. Es geht Ihnen also nicht um die Gesamthöhe der Zinsen, sondern darum, was sie davon hätten konsumieren können. Die Opportunitätskosten des Darlehens sind somit die Güter, auf die Sie verzichten müssen. Sie sind nicht das Geld, auf das Sie verzichten müssen. Um diese Unterscheidung zu treffen, müssen Sie die Inflation berücksichtigen.

Haushalte und Unternehmen treffen ihre Entscheidungen auf der Grundlage der Realzinssätze. Unternehmen beurteilen anhand der Realzinssätze, welche Investitionen sich lohnen, und Darlehensgebende verlangen höhere Zinsen, wenn sie davon ausgehen, dass die Inflation ihre Margen in Zukunft schmälern wird.

Die Gleichung für den Realzinssatz ist als Fisher-Gleichung bekannt, benannt nach Irving Fisher, dessen physikalisches Modell der Wirtschaft wir in Einheit 2 gesehen haben. Die Fisher-Gleichung besagt, dass der Realzinssatz (in Prozent pro Jahr) gleich dem Nominalzinssatz (in Prozent pro Jahr) abzüglich der für das kommende Jahr erwarteten Inflation ist:

\[\begin{align*} r = i - \pi^e \end{align*}\]

Bei der Bewertung eines Investitionsprojekts muss die erwartete Inflation berücksichtigt werden. Bei einem gegebenen Nominalzinssatz senkt eine höhere Inflation den Realzinssatz, wodurch sich die realen Kosten der Darlehensaufnahme verringern. Es ist auch zu erkennen, dass der Realzinssatz über den Nominalzinssatz steigt, wenn für das kommende Jahr ein Preisrückgang erwartet wird, das heißt wenn die erwartete Inflation negativ ist oder eine Deflation erwartet wird. Bei einem höheren Realzinssatz werden einige Investitionen, die ohne die erwartete Deflation getätigt worden wären, nicht mehr getätigt.

15.9 Der Wechselkurskanal der Geldpolitik

Wechselkurs
Die Anzahl der Einheiten der heimischen Währung, die in eine Einheit der ausländischen Währung umgetauscht werden können. Die Anzahl der australischen Dollar (AUD), die benötigt werden, um einen US-Dollar (USD) zu kaufen, wird beispielsweise als Anzahl der AUD pro USD definiert. Ein Anstieg dieses Kurses bedeutet eine Wertminderung des AUD und ein Rückgang eine Aufwertung des AUD.

In den USA wirkt die Geldpolitik hauptsächlich über die Auswirkungen der Zinsänderungen auf Investitionen, insbesondere für neue Immobilien und Gebrauchsgüter. In vielen anderen, vor allem kleineren Volkswirtschaften wirkt die Geldpolitik jedoch auch über die Auswirkungen auf den Wechselkurs, wodurch sich die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft auf den internationalen Märkten verändert und damit die Nettoexporte beeinflusst werden.

Warum wirkt sich der Zinssatz auf den Wechselkurs aus? Ein Großteil der Nachfrage nach den Währungen der verschiedenen Länder kommt von Investierenden, die finanzielle Vermögenswerte aus der ganzen Welt halten und handeln wollen. Diese Investierenden ziehen es vor, eine höhere Rendite zu erzielen, und bevorzugen daher Vermögenswerte mit einer höheren Rendite beziehungsweise Zinssatz. Wenn die Zentralbank eines Landes den Zinssatz senkt, geht die Nachfrage nach den Anleihen dieses Landes zurück: Die Investierenden sind weniger an den Vermögenswerten des Landes interessiert. Wenn die Nachfrage nach Anleihen sinkt, sinkt auch die Nachfrage nach der Währung, mit der diese Anleihen gekauft werden. Der Rückgang der Nachfrage nach der Währung führt zu einer Wertminderung, das heißt zu einem Rückgang ihres Preises im Verhältnis zu anderen Währungen.

Nehmen wir den Fall einer Abschwächung der australischen Wirtschaft, die durch einen Rückgang der Nachfrage nach Investitionen verursacht wird. Die Reserve Bank of Australia reagiert darauf mit einer Senkung des Zinssatzes. Dadurch sinken die Erträge australischer Vermögenswerte, was sie für internationale Investierende weniger attraktiv macht. Wenn zum Beispiel die Reserve Bank of Australia den Zinssatz senkt, sinkt die Nachfrage nach australischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei Monaten oder zehn Jahren. Wenn die Nachfrage nach australischen Vermögenswerten wie Staatsanleihen sinkt, sinkt auch die Nachfrage nach den australischen Dollars, die zu deren Kauf benötigt werden.

Aus diesem Grund führt die Senkung des Zinssatzes zu einer Wertminderung des australischen Dollars, was bedeutet, dass ein australischer Doller dann weniger US-Dollar, chinesische Yuan, Euro oder andere Währungen kaufen kann als zuvor. Die Wertminderung macht die australischen Exporte und die im Inland produzierten Waren wettbewerbsfähiger, was die aggregierte Nachfrage ankurbelt und die Wirtschaft stabilisiert. Sowohl eine höhere Exportnachfrage nach im Inland hergestellten Produkten (X) als auch eine geringere Nachfrage der australischen Bevölkerung nach im Ausland produzierten Waren und Dienstleistungen (M) erhöhen die aggregierte Nachfrage in der heimischen Wirtschaft.

Der Devisenmarkt ist ein Markt, auf dem Währungen gegeneinander gehandelt werden, zum Beispiel der australische Dollar (AUD) und der US-Dollar (USD). Der Wechselkurs ist definiert als die Anzahl der Einheiten der heimischen Währung für eine Einheit der ausländischen Währung, mit anderen Worten:

\[\text{Wechselkurs des australischen Dollars} = \frac{\text{Anzahl von AUD}}{\text{ein USD}}\]

Wenn man für einen USD mehr AUD kauft, spricht man von einer Abwertung des AUD. Wenn man für einen AUD mehr USD kauft, spricht man von einer Aufwertung des AUD.

Eine Wertminderung des Wechselkurses des Heimatlandes macht dessen Exporte billiger und Importe aus dem Ausland teurer. Wenn zum Beispiel ein T-Shirt in Australien 20 AUD kostet und der Wechselkurs zum USD 1,07 beträgt (zur Erinnerung: das ist die Anzahl der AUD für einen USD), dann kostet das T-Shirt in den USA 20/1,07 = 18,69 USD. Umgekehrt würde ein T-Shirt, das in den USA für 18,69 USD verkauft wird, in Australien 20 AUD kosten. Wenn der australische Dollar abgewertet wird und der Wechselkurs auf 1,25 steigt, was geschieht dann mit dem Preis der Exporte und Importe von T-Shirts in Australien? Exporte von australischen T-Shirts werden günstiger; ein 20 AUD teures T-Shirt kostet in den USA nur noch 16 USD statt 18,69 USD. Im Gegensatz dazu werden Importe von US-T-Shirts nach Australien teurer—ein T-Shirt zu 18,69 USD kostet jetzt 23,36 AUD statt 20 AUD.

Abbildung 15.16 ist eine grobe Zusammenfassung der Kette von Ereignissen in Australien.

Eine Senkung des australischen Zinssatzes.
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Abbildung 15.16 Eine Senkung des australischen Zinssatzes.

Übung 15.8 Warum Anleihen?

Erläutern Sie, warum eine Änderung des Leitzinses der Zentralbank den Wechselkurs über den Markt für finanzielle Vermögenswerte (zum Beispiel Staatsanleihen) beeinflusst.

Frage 15.9 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Die folgende Tabelle zeigt den Wechselkurs des britischen Pfunds (GBP) gegenüber dem Dollar (USD) und dem Euro (EUR) (Quelle: Bank of England):

  24.11.2014 23.11.2015
USD/GBP 1,5698 1,5131
EUR/GBP 1,2622 1,4256

In dieser Tabelle sind die Wechselkurse als die Anzahl der USD oder EUR pro GBP definiert. Welche der folgenden Aussagen sind richtig?

  • Der USD wertete im Laufe des Jahres gegenüber dem GBP auf.
  • Der GBP wertete im Laufe des Jahres gegenüber dem EUR ab.
  • Exporte britischer Waren waren im November 2015 in den USA günstiger als ein Jahr zuvor.
  • Importe aus Europa waren in Großbritannien im November 2015 teurer als ein Jahr zuvor.
  • Für ein GBP konnten am 24. November 2015 weniger USD gekauft werden als ein Jahr zuvor, sodass der USD gegenüber dem GBP an Wert gewann.
  • Ein GBP kaufte am 24. November 2015 mehr EUR als ein Jahr zuvor, sodass das GBP gegenüber dem EUR aufwertete.
  • Das GBP wertete in diesem Zeitraum gegenüber dem USD ab, sodass Exporte britischer Waren günstiger wurden.
  • Der EUR wurde im Laufe des Jahres gegenüber dem GBP günstiger, sodass aus Europa importierte Waren ebenfalls günstiger wurden.

15.10 Nachfrageschocks und nachfrageseitige Maßnahmen

Um zu sehen, wie politische Entscheidungsträger:innen in der Praxis auf Nachfrageschocks reagieren, denken Sie an die Rezession in den USA nach dem Platzen der Technologieblase. Die Tabelle in Abbildung 15.17 veranschaulicht den Mix aus Fiskalpolitik und Geldpolitik, der während der Rezession in den USA im Jahr 2001 zum Einsatz kam, als sich die Wachstumsrate der amerikanischen Wirtschaft nach einem Jahrzehnt der Expansion verlangsamte.

Die oberste Zeile zeigt, dass die jährliche Wachstumsrate des realen BIP von 4,1 % auf 0,9 % zurückging. Die unteren beiden Zeilen in Abbildung 15.17 zeigen, dass die Verlangsamung zu steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Inflation führte, genau wie wir es von einem negativen Schock der Nachfrage erwarten würden. Das Ende des Booms Ende der 90er Jahre, in dem die Unternehmen die Gewinne aus Investitionen in neue Technologien zu optimistisch eingeschätzt und den Bedarf an neuen Kapazitäten in den IKT-produzierenden Industrien überschätzt hatten, war der Auslöser für den Abschwung (siehe Einheit 11 für weitere Informationen über die Technologieblase und Abbildung 14.5 für das Modell der Direktinvestitionen mit Angebots- und Nachfrageeffekten, die die Investitionsfunktion verschieben).

2000 2001 2002 2003
Reales Bruttoinlandsprodukt (jährliche Veränderung in %) 4,1 0,9 1,8 2,8
Beitrag zur prozentualen Veränderung des BIP Veränderung der Direktinvestitionen in Gewerbeimmobilien 1,15 −1,2 −0,66 0,69
Veränderung der Investitionen in Wohnimmobilien −0,07 0,09 0,39 0,66
Veränderung der Staatsausgaben 0,10 0,88 0,74 0,36
Veränderung der sonstigen Beiträge 2,92 1,13 1,33 1,09
Nominalzinssatz der Federal Reserve (Jahresdurchschnitt, %) 6,24 3,89 1,67 1,13
Arbeitslosenquote (%) 4 4,47 5,8 6
Inflationsrate (%) 3,4 2,8 1,6 2,3

Abbildung 15.17 Der Politik-Mix: Finanz- und Geldpolitik in den USA nach dem Platzen der Technologieblase.

Federal Reserve Bank of St. Louis. 2015. FRED.

Die Rezession und die politische Reaktion

Die Abbildung zeigt, dass der Beitrag der Investitionen in Gewerbeimmobilien zur prozentualen Veränderung des BIP im Jahr 2000 viel größer war als der der Wohnimmobilieninvestitionen oder der Ausgaben der Regierungen. Im Jahr 2001 gingen sie zurück und zogen die Wirtschaft in eine Rezession.

Ohne die starke Reaktion der Geld- und Fiskalpolitik hätte die Rezession noch viel schlimmer ausfallen können.

Im Jahr 2001 begann die Federal Reserve Bank mit einer raschen Senkung des Nominalzinssatzes, von einem Höchststand von durchschnittlich 6,2 % im Jahr 2000 auf 3,9 % im Jahr 2001 und einem Tiefststand von 1,1 % im Jahr 2003.

  • Geldpolitik: Aus Abbildung 15.17 geht hervor, dass dieser starke Rückgang der Nominalzinssätze dazu beitrug, die Investitionen in Wohnimmobilien in den Jahren 2001 und 2002 anzukurbeln. Ihr Beitrag zum Wachstum wurde viel größer als zuvor. Auch die Investitionen in Gewerbeimmobilien erholten sich dadurch, jedoch verlief die Anpassung langsamer: Der Beitrag der Investitionen zum Wachstum wurde erst 2003 positiv.
  • Fiskalpolitik: Um die Stagnation der privaten Investitionen der Unternehmen auszugleichen, setzte die Regierung auf eine expansive Fiskalpolitik. In den Jahren 2001 und 2002 führte sie umfangreiche Steuersenkungen ein und erhöhte die Ausgaben. Das Multiplikatormodell hilft, die Logik der Politik der Regierung und den starken Anstieg des Wachstumsbeitrags der öffentlichen Ausgaben in den Jahren 2001 und 2002 zu erklären.6

Aus Abbildung 15.17 geht hervor, dass das rasche Handeln der Regierung und der Zentralbank zur Stabilisierung der Wirtschaft beitrug. Inflation und BIP-Wachstum erholten sich rasch von der Rezession. Die Arbeitslosigkeit reagierte jedoch langsamer und stieg im Jahr 2003 weiter an. Tatsächlich sank die Arbeitslosenquote in den USA nicht ganz auf das Niveau des Jahres 2000, was vielleicht darauf hindeutet, dass die Wirtschaft der USA im Vorfeld der Technologieblase über ihrer Kapazität arbeitete.

Die Rezession und das Modell

Wir können das von uns entwickelte Modell auf den Fall eines Einbruchs der Investitionen in der US-Wirtschaft anwenden (Abbildung 15.18). Aus dem Multiplikator-Diagramm im unteren Feld wissen wir, dass ein Rückgang der Investitionsausgaben die Linie der aggregierten Nachfrage nach unten verschiebt und zu einem neuen Gütermarktgleichgewicht in der Wirtschaft mit geringerem Output und höherer Arbeitslosigkeit führt. Abbildung 15.17 zeigt, dass genau dies in den USA nach dem Ende der Technologieblase geschah. Die Arbeitslosigkeit stieg von 4 % im Jahr 2000 auf 6 % im Jahr 2003, und die Inflation ging von 3,4 % im Jahr 2000 auf 1,6 % im Jahr 2002 zurück.

Der Logik der Phillipskurve folgend wird die Inflation als Reaktion auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit sinken. Gehen Sie die Schritte der Analyse in Abbildung 15.18 durch, um die Folgen des Schocks und die Reaktion der Regierung in Form eines Konjunkturprogramms und die Reaktion der Federal Reserve in Form einer lockeren Geldpolitik zu verstehen.

Beachten Sie, dass das beste Ergebnis für die politischen Entscheidungsträger:innen nicht die Vollbeschäftigung ist. Vielmehr geht es um das Beschäftigungsniveau (und die Arbeitslosigkeit), das das Arbeitsmarktgleichgewicht aufrechterhält, um eine ständig steigende oder fallende Inflation zu vermeiden. In Abbildung 15.18 ist der Punkt X das beste Ergebnis für die politischen Entscheidungsträger:innen. Die Inflation entspricht dem Zielwert und die Beschäftigung ist mit einer konstanten Inflation vereinbar. Aus den Indifferenzkurven wird deutlich, dass die Rezession den Wohlstand in der Wirtschaft verringert.

Eine politische Maßnahme zur Wiederherstellung von Beschäftigung und Output nach einem Rückgang der Investitionen.
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Abbildung 15.18 Eine politische Maßnahme zur Wiederherstellung von Beschäftigung und Output nach einem Rückgang der Investitionen.

Vor dem Abschwung
: Die Wirtschaft befindet sich an Punkt C.
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Vor dem Abschwung

Die Wirtschaft befindet sich an Punkt C.

Der Einbruch bei den Investitionen
: Dadurch verschiebt sich die aggregierte Nachfrage nach unten. Die Wirtschaft bewegt sich auf eine Situation mit höherer Arbeitslosigkeit und niedrigerer Inflation zu (von Punkt C zu Punkt D).
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Der Einbruch bei den Investitionen

Dadurch verschiebt sich die aggregierte Nachfrage nach unten. Die Wirtschaft bewegt sich auf eine Situation mit höherer Arbeitslosigkeit und niedrigerer Inflation zu (von Punkt C zu Punkt D).

Sowohl die Zentralbank als auch die Regierung reagieren
: Eine Senkung des Zinssatzes und ein Konjunkturprogramm über Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben verschieben die aggregierte Nachfrage zurück in die Ausgangsposition.
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Sowohl die Zentralbank als auch die Regierung reagieren

Eine Senkung des Zinssatzes und ein Konjunkturprogramm über Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben verschieben die aggregierte Nachfrage zurück in die Ausgangsposition.

Die Wirkung der Intervention
: Der Anstieg des Outputs aufgrund höherer gesamtwirtschaftlicher Ausgaben verringert die Arbeitslosigkeit und erhöht die Inflation. Die Wirtschaft bewegt sich entlang der Phillipskurve zurück zu Punkt C.
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Die Wirkung der Intervention

Der Anstieg des Outputs aufgrund höherer gesamtwirtschaftlicher Ausgaben verringert die Arbeitslosigkeit und erhöht die Inflation. Die Wirtschaft bewegt sich entlang der Phillipskurve zurück zu Punkt C.

Übung 15.9 Ein Boom im Bauwesen

  1. Was geschieht, wenn ein Boom im Immobilienbau einen positiven Schock auf die aggregierte Nachfrage bedeutet? Erklären Sie dies anhand des Multiplikator-Diagramms und der Phillipskurve.
  2. Was würden Sie von der Zentralbank erwarten?

15.11 Makroökonomische Politik vor der globalen Finanzkrise: Inflationstargeting

Great Moderation
Zeitraum mit geringer Volatilität des gesamtwirtschaftlichen Outputs in fortgeschrittenen Volkswirtschaften zwischen den 1980er Jahren und der Finanzkrise 2008. Der Name wurde von den Wirtschaftswissenschaftlern James Stock und Mark Watson vorgeschlagen und von Ben Bernanke, dem damaligen Vorsitzenden der Federal Reserve (Zentralbank-System der Vereinigten Staaten), populär gemacht.
Inflationstargeting
Geldpolitik, bei der die Zentralbank die Zinssätze ändert, um die aggregierte Nachfrage zu beeinflussen und die Wirtschaft in der Nähe eines Inflationsziels zu halten, das normalerweise von der Regierung vorgegeben wird.

Die 25 Jahre vor der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 wurden als Great Moderation bekannt. Ein Blick zurück auf Abbildung 15.12 zeigt uns, warum. Trotz eines großen Ölschocks in den 2000er Jahren verzeichneten die britische und viele andere Volkswirtschaften weiterhin ein stetiges Wachstum, eine niedrige Inflation und eine geringe Arbeitslosigkeit. Dies ist ein bemerkenswerter Kontrast zu der hohen Inflation und der hohen Arbeitslosigkeit in den 1970er Jahren.

Die 1990er und 2000er Jahre waren vor der Krise durch zwei wichtige Merkmale gekennzeichnet:

  • Die Zentralbanken wurden von der Regierung unabhängig gemacht: In den meisten Ländern wurde die Geldpolitik in die Hände der unabhängigen Zentralbanken gelegt.
  • Inflationstargeting: Diese Zentralbanken setzen ihre geldpolitischen Instrumente ein, um die Wirtschaft in der Nähe einer Zielinflationsrate zu halten. Wie Abbildung 15.19 zeigt, hatten bis 2012 28 Länder Inflationstargeting eingeführt, in der Regel mit einer Bandbreite dessen, was als akzeptables Inflationsniveau angesehen wurde.

Warum sollte man Zentralbanken unabhängig machen und ihnen Inflationsziele vorgeben? Die Lehren aus Abbildung 15.6 über die Instabilität der Phillipskurven und die hohen Kosten der Arbeitslosigkeit, die den Ländern in den 1980er Jahren durch die Senkung der Inflation entstanden, gaben den Anstoß. Politische Entscheidungsträger:innen auf der ganzen Welt glaubten, dass es eine inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote geben würde.

Ab den 1990er Jahren vertraten die Regierungen zunehmend die Ansicht, dass die Zentralbanken dafür verantwortlich sein sollten, die Wirtschaft in der Nähe einer bestimmten Zielinflationsrate zu halten. Diese liegt in den entwickelten Volkswirtschaften in der Regel bei etwa 2 %, in einigen Entwicklungsländern jedoch höher, wie die Tabelle in Abbildung 15.19 zeigt. Wir wir in Abschnitt 15.1 gesehen haben, bevorzugen viele Wahlberechtigte eine niedrige Arbeitslosigkeit, selbst wenn dies mit einer höheren Inflationsrate einhergeht. Wie können sich die Zentralbanken dann glaubwürdig dazu verpflichten, nicht von ihrem angekündigten Inflationsziel abzuweichen?

Land Datum der Einführung des Inflationstargeting Inflationsrate zum Zeitpunkt der Einführung (%) Inflation zum Jahresende 2010 (%) Zielinflationsrate (%)
Neuseeland 1990 3,30 4,03 1–3
Kanada 1991 6,90 2,23 2 ± 1
Großbritannien 1992 4,00 3,39 2
Australien 1993 2,00 2,65 2–3
Schweden 1993 1,80 2,10 2
Tschechien 1997 6,80 2,00 3 ± 1
Israel 1997 8,10 2,62 2 ± 1
Polen 1998 10,60 3,10 2.5 ± 1
Brasilien 1999 3,30 5,91 4,5 ± 1
Chile 1999 3,20 2,97 3 ± 1
Kolumbien 1999 9,30 3,17 2–4
Südafrika 2000 2,60 3,50 3–6
Thailand 2000 0,80 3,05 0,5–3
Ungarn 2001 10,80 4,20 3 ± 1
Mexiko 2001 9,00 4,40 3 ± 1
Island 2001 4,10 2,37 2,5 ± 1,5
Südkorea 2001 2,90 3,51 3 ± 1
Norwegen 2001 3,60 2,76 2,5 ± 1
Peru 2002 −0,10 2,08 2 ± 1
Philippinen 2002 4,50 3,00 4 ± 1
Guatemala 2005 9,20 5,39 5 ± 1
Indonesien 2005 7,40 6,96 5 ± 1
Rumänien 2005 9,30 8,00 3 ± 1
Serbien 2006 10,80 10,29 4–8
Türkei 2006 7,70 6,40 5,5 ± 2
Armenien 2006 5,20 9,35 4,5 ± 1,5
Ghana 2007 10,50 8,58 8,5 ± 2
Albanien 2009 3,70 3,40 3 ± 1

Abbildung 15.19 Länder, deren Zentralbanken bis 2012 Inflationstargeting eingeführt haben.

Sarwat Jahan. 2012. ‘Inflation Targeting: Holding the Line’. International Monetary Fund Finance & Development.

Um dieser Sorge zu begegnen, haben viele Länder die Unabhängigkeit der Zentralbank gestärkt. Politiker:innen (wie damals der westdeutsche Superminister Helmut Schmidt) wollen vielleicht jetzt eine niedrigere Arbeitslosigkeit versprechen, um wiedergewählt zu werden—auch wenn dies später zu einer steigenden Inflation führt. Eine unabhängige Zentralbank mit einem expliziten Inflationsziel kann besser politischem Druck widerstehen. Dadurch wird eine Lohn-Preis-Spirale verhindert. Die Zentralbank verpflichtet sich, die Inflation in der Nähe des Ziels zu halten, was wiederum dazu beiträgt, die von den Beschäftigten und Unternehmen erwartete Inflationsrate in der Nähe des Ziels zu halten.

Abbildung 15.20 veranschaulicht die Beziehung zwischen dem Grad der Unabhängigkeit der Zentralbanken Mitte der 1980er Jahre und der durchschnittlichen Inflation zwischen 1962 und 1990 in den OECD-Ländern. Es besteht eine starke negative Korrelation zwischen den beiden Variablen. Länder mit geringer Unabhängigkeit der Zentralbanken Mitte der 1980er Jahre waren diejenigen, in denen die Inflation im Durchschnitt über den 30-jährigen Zeitraum höher war.

Inflation und Unabhängigkeit der Zentralbanken: OECD-Länder.
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Abbildung 15.20 Inflation und Unabhängigkeit der Zentralbanken: OECD-Länder.

CPI inflation: OECD. 2015. OECD Statistics. Unabhängigkeit der Zentralbank: Vittorio Grilli, Donato Masciandaro, Guido Tabellini, Edmond Malinvaud, und Marco Pagano. 1991. ‘Political and Monetary Institutions and Public Financial Policies in the Industrial Countries’Economic Policy 6 (13): pp. 341–392.

Aus dieser Korrelation lässt sich nicht final schließen, wie oder ob die Unabhängigkeit der Zentralbanken die Inflation eindämmte. Aber viele vermuteten, dass die Unabhängigkeit der Zentralbanken tatsächlich die Kontrolle der Inflation erleichtern würde. Infolgedessen gewährten die Länder mit hoher Inflation ihren Zentralbanken mehr Unabhängigkeit, wobei ein niedriges Inflationsziel in die offiziellen Statuten aufgenommen wurde.

Neuseeland, das 1989 eine hohe Inflation aufwies, leistete mit dem Inflationstargeting Pionierarbeit. Die Inflation ging zurück und blieb niedrig. Andere Länder mit hoher Inflation folgten bald, insbesondere Mittelmeerländer wie Portugal, Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich.

Die Erfahrungen dieser Ländern deuten darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Zentralbanken tatsächlich zur Senkung der Inflation beiträgt.

Im Rahmen der Politik des Inflationstargeting würde die Zentralbank den Zinssatz immer dann anheben und die aggregierte Nachfrage dämpfen, wenn die Arbeitslosigkeit in der Wirtschaft unter der inflationsstabilisierenden Rate liegt (das heißt wenn sie sich auf der Phillipskurve nach Nordosten und auf eine weniger günstige Indifferenzkurve bewegt). In ähnlicher Weise würde die Zentralbank nach einem Rückgang der aggregierten Nachfrage (zum Beispiel infolge eines Rückgangs des Geschäftsklimas) und angesichts einer drohenden Rezession den Zinssatz senken und die Wirtschaft wieder in Richtung ihres Inflationsziels bringen. In Abbildung 15.17 haben wir die Maßnahmen der Federal Reserve mit diesen Worten beschrieben.

Abbildung 15.21 zeigt die Phillipskurve und die Indifferenzkurven für eine Wirtschaft mit einer Zentralbank mit Inflationstargeting. Die Wirtschaft hat eine stabile Inflation im Punkt X, wo die Inflation dem Ziel von 2 % entspricht und die Arbeitslosigkeit im Arbeitsmarktgleichgewicht 6 % beträgt. Das Arbeitsmarktgleichgewicht und damit die inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich. In den 2000er Jahren wurde sie zum Beispiel im Vereinigten Königreich auf 5,9 % und in Deutschland auf 7,7 % geschätzt.

Die inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote in der Wirtschaft.
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Abbildung 15.21 Die inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote in der Wirtschaft.

Wenn ein Schock der aggregierten Nachfrage die Arbeitslosigkeit unter 6 % senkt, steigt die Inflation entlang der Phillipskurve an. Daraufhin würde die Zentralbank den Zinssatz anheben, um die aggregierte Nachfrage zu senken und die Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Wenn die Zentralbank nicht umgehend handelt, kann eine Lohn-Preis-Spirale einsetzen, bei der sich die Phillipskurve nach oben verschiebt. Sollte die Inflation unter den Zielwert fallen, senkt die Zentralbank den Zinssatz, um die Inflation nach oben zu treiben.

Die Verpflichtung der Zentralbanken auf ein Inflationsziel trägt dazu bei, zu erklären, warum der dritte Ölschock in den 2000er Jahren nicht zu einer Rückkehr zur hohen Inflation der 1970er Jahre geführt hat. Die Verpflichtung bedeutete, dass selbst bei einem vorübergehenden Anstieg der Inflationsrate niemand damit rechnete, dass dieser anhalten würde, weil die Zentralbank sich verpflichtet hatte, den Anstieg zu verhindern. Bei stabilen Inflationserwartungen gab es keinen Grund dafür, dass sich eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt.

Frage 15.10 Wählen Sie die richtige(n) Antwort(en)

Abbildung 15.21 stellt die Phillipskurve und die Indifferenzkurven einer Volkswirtschaft dar. Diese Wirtschaft hat eine unabhängige Zentralbank mit einem Inflationsziel von 2 %.

Welche der folgenden Aussagen ist richtig?

  • Die Zentralbank wird versuchen, eine Arbeitslosigkeit von Null zu erreichen und gleichzeitig die Inflation bei 2 % zu halten.
  • Die Form der Indifferenzkurven deutet darauf hin, dass die Zentralbank jederzeit bereit ist, höhere Inflation gegen niedrigere Arbeitslosigkeit zu tauschen.
  • Betrachten wir einen Schock der aggregierten Nachfrage, der die Arbeitslosigkeit erhöht. Ohne eine Geld- oder Fiskalpolitik, die der negativen Verhandlungslücke entgegenwirkt, würde sich die Phillipskurve nach unten verschieben.
  • Betrachten wir einen Schock der aggregierten Nachfrage, der die Arbeitslosigkeit erhöht. Die Zentralbank würde den Zinssatz anheben, um die Inflation zu drücken und sie wieder auf den Zielwert zu bringen.
  • Die Phillipskurve zeigt, dass dies nicht möglich ist. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass es im Modell des Arbeitsmarktes immer eine positive Arbeitslosigkeit gibt. Die Zentralbank wird versuchen, die inflationsstabilisierende Arbeitslosenquote von 6 % zu erreichen, da dies das Arbeitsmarktgleichgewicht ist.
  • Dies gilt für die steigenden Teile der Indifferenzkurven. Sind die Indifferenzkurven fallend (zum Beispiel wenn die Arbeitslosigkeit höher als 6 % und die Inflation niedriger als 2 % ist), würde sie sich dafür entscheiden, höhere Inflation gegen höhere Arbeitslosigkeit zu tauschen.
  • Die negative Verhandlungslücke würde zu einer niedrigeren Inflation führen, was wiederum zu niedrigeren Inflationserwartungen in der nächsten Periode führen würde, was die Phillipskurve nach unten verschieben würde.
  • Ein Schock der aggregierten Nachfrage, der die Arbeitslosigkeit erhöht, führt zu einem Rückgang der Inflation entlang der Phillipskurve. Daher sollte die Zentralbank die Zinssätze senken, um die Inflation nach oben zu drücken, damit sie wieder auf die Zielrate ansteigt.

15.12 Ein weiterer Grund für steigende Inflation bei niedriger Arbeitslosigkeit

Warum gibt es in der Wirtschaft einen Konflikt zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation? Bisher lautet die Antwort, dass bei hoher Arbeitslosigkeit in der Wirtschaft die Beschäftigten mit hohen Kosten des Arbeitsplatzverlustes konfrontiert sind und die Unternehmen in der Lage sind, die Beschäftigten dazu zu bringen, gewissenhaft bei einem niedrigeren Lohn zu arbeiten, als dies bei niedrigerer Arbeitslosigkeit der Fall wäre.

Preisreaktionen auf steigende Beschäftigung und Kapazitätsauslastung.
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Abbildung 15.22 Preisreaktionen auf steigende Beschäftigung und Kapazitätsauslastung.

Es gibt jedoch noch einen zweiten Grund für den Zusammenhang zwischen niedriger Arbeitslosigkeit und hoher Inflation. In Abbildung 15.22 zeigt die horizontale Achse den Grad der Kapazitätsauslastung in der Wirtschaft. Wenn die Kapazitätsauslastung auf der horizontalen Achse nach rechts steigt, stehen weniger Maschinen still, es gibt weniger leere Tische in Restaurants, und andere Indikatoren (zum Beispiel mehr Überstunden) zeigen einen Abbau der freien Kapazitäten in Fabriken und Geschäften. In Einheit 14 haben wir die übliche Reaktion der Unternehmen auf eine steigende Kapazitätsauslastung erläutert: Sie erhöhen ihre Investitionen, um ihre Fähigkeit zur Erfüllung von Aufträgen zu erweitern.

kapazitätsbeschränkt
Eine Situation, in der ein Unternehmen mehr Aufträge hat, als es erfüllen kann. Siehe auch: geringe Kapazitätsauslastung.

Der Bau neuer Anlagen und die Installation neuer Ausrüstungen braucht jedoch Zeit. In der Zwischenzeit haben die Unternehmen bei den derzeitigen Preisen mehr Aufträge, als sie ausführen können. Ökonominnen und Ökonomen sagen, sie seien kapazitätsbeschränkt. Sie verlieren nichts, wenn sie unter diesen Bedingungen die Preise erhöhen. Außerdem ist die Konkurrenz—Unternehmen, die ähnliche Produkte herstellen—ebenfalls kapazitätsbeschränkt, sodass diese Unternehmen einem geringeren Wettbewerb ausgesetzt sind. Das bedeutet, dass ihre Nachfragekurven nun steiler (weniger preiselastisch) sind. Daher werden alle Unternehmen auf eine höhere Kapazitätsauslastung mit einer Anhebung des Preisaufschlags über die Kosten reagieren, was eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen wird.

15.13 Schlussfolgerung

Die Wahlberechtigten wünschen sich eine Wirtschaft mit geringer Arbeitslosigkeit und niedriger, aber positiver Inflation. Dieses Ergebnis zu erreichen ist jedoch nicht einfach. Kurzfristig besteht ein Konflikt zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit, was bedeutet, dass die politischen Entscheidungsträger:innen die Arbeitslosigkeit um den Preis einer höheren Inflation verringern könnten. Dies kann jedoch zu höheren Inflationserwartungen und einer Lohn-Preis-Spirale führen. Das bedeutet wiederum, dass die Inflation nicht nur vorübergehend höher ist, sondern im Laufe der Zeit weiter ansteigt.

Es wird davon ausgegangen, dass Zentralbanken eher die zukünftigen Auswirkungen ihres Handelns berücksichtigen als Politiker:innen, die auf kurzfristigen demokratischen Druck reagieren. Aus diesem Grund haben viele Länder Inflationstargeting mit unabhängigen Zentralbanken eingeführt, die auf den Nominalzinssatz als politisches Instrument zur Reaktion auf Angebotsschocks und Nachfrageschocks setzen.

Der neue makroökonomische Politikrahmen des Inflationstargetings schien gut zu funktionieren, als er durch den Ölschock in den 2000er Jahren auf die Probe gestellt wurde. Dann kam die globale Finanzkrise, die den Konsens ins Wanken brachte. Viele Zentralbanken stießen an den Zero Lower Bound für Nominalzinssätze, was zu einem erneuten Interesse an der Fiskalpolitik als Stabilisierungsinstrument führte.

In Einheit 15 eingeführte Konzepte

Bevor Sie fortfahren, sollten Sie diese Definitionen wiederholen:

15.14 Quellen

  1. ‘In Dollars They Trust’. The Economist. Aktualisiert am 27. April 2013. 

  2. A. W. Phillips. 1958. ‘The Relation Between Unemployment and the Rate of Change of Money Wage Rates in the United Kingdom, 1861–1957’Economica 25 (100): p. 283. 

  3. Milton Friedman. 1968. ‘The Role of Monetary Policy’American Economic Review 58 (1): pp. 1–17. 

  4. David Walton. 2006. ‘Has Oil Lost the Capacity to Shock?’Oxonomics 1 (1): pp. 9–12. 

  5. ‘Controlling Interest’. The Economist. Aktualisiert am 21. September 2013. 

  6. ‘Bush’s Push’. The Economist. Aktualisiert am 6. Januar 2003.